Ehemaliger UN-Diplomat: Mit KI verliert der Mensch die Kontrolle über Krieg und Frieden
Von Felicitas Rabe
Am Samstag fanden in Köln zwei Kundgebungen statt – eine groß angekündigte Demonstration "Für die Ukraine und für die Demokratie" vor dem Kölner Dom und eine Friedensdemonstration unter dem Motto "Frieden, Brot, Würde – in der Ukraine und weltweit!"
Auf der proukrainischen Kundgebung waren nach Wahrnehmung der Berichterstatterin kurz vor Beginn der Veranstaltung rund 1.000 Teilnehmer auf dem Roncalliplatz vor dem Dom versammelt. An der Friedenskundgebung auf dem Alten Markt beteiligten sich etwa 400 Friedensaktivisten aus Nordrhein-Westfalen.
Im gemeinsamen Aufruf des Kölner Friedensforums und anderer NRW-Friedensinitiativen hieß es: "Wir rufen alle auf zu einer Demonstration für einen sofortigen Waffenstillstand, für Dialog, Diplomatie und Entspannungspolitik. Wir fordern statt Waffenlieferungen den Wiederaufbau aller kriegsverwüsteten Länder durch die an diesen Kriegen Beteiligten und globale Abrüstung. Die Waffen müssen schweigen – in der Ukraine und weltweit!"
Bewegende Reden vom ukrainischen und russischen Friedensaktivisten
Während der Friedenskundgebung standen ein ukrainischer und ein russischer Friedensaktivist gemeinsam auf der Bühne und wechselten sich mit ihren Reden ab. Diese Geste der Kooperation und des Friedens zwischen den "Vertretern" der Kriegsparteien war sehr eindrücklich.
Der ukrainische Student und Kriegsdienstverweigerer Andrei Konowalow lebt seit 2021 in Deutschland. Er schilderte in bewegenden Worten, wie die Spaltung der Gesellschaft zwischen russischsprachigen und ukrainischsprachigen Landsleuten in der Ukraine schon lange vor dem Krieg zugenommen hatte: "Zu meinem Leidwesen konnte ich in meinem Heimatland auch erleben, wie vorher unbedeutende Unterschiede künstlich aufgewertet, instrumentalisiert und für politische Zwecke missbraucht wurden. Ich konnte sehen, wie die kleinsten kulturellen Eigenheiten als unüberwindbare Brüche und als Ursachen aller gesellschaftlichen Widersprüche und auch als Erklärung für jedes Scheitern der Regierungspolitik hingestellt wurden."
"Ich habe erlebt, wie Politiker und Fernsehmoderatoren, aber auch Lehrer an Schulen und Universitäten versuchen, die Mitschüler, Kommilitonen und Familienmitglieder – die sie bis dahin waren – als zombifizierte Wilde abzustempeln (…) deren Beschwerden nichts anderes sind als Feindpropaganda", sagte Konowalow.
"Mit jedem Tag zerstört dieser Krieg die Ukraine weiter. Die Waffenlieferungen, die bravouröse Unterstützung des Krieges durch die Alliierten, die Kriegstreiberei, die großen PR-Siege an der Front und die neuen Opfer – all das dient den Bedürfnissen der Politiker, nicht den Bedürfnissen meines Landes", erklärte der Kriegsdienstverweigerer aus der Ukraine.
Der russische Friedensaktivist Jewgeni Arewiew war vor 30 Jahren ebenfalls als Student nach Deutschland gekommen und lebt in Münster. "Die Lehre des Westfälischen Friedens heißt 'Verhandeln statt Schießen'", begann er seine Rede und bezog sich dann später auch auf die deutsche Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann: "Die Waffenlobbyistin Strack-Zimmermann von der FDP, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, hat im Interview mit dem Youtube-Kanal 'Jung und naiv' gesagt, sie würde ihren eigenen Sohn nicht in den Krieg schicken. Die Ukraine soll aber bis zum letzten Mann kämpfen? (…) Mit deutschen Waffen! (…) Jeder Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit."
Wir Europäer laufen am Rande des Untergangs
Der frühere UN-Diplomat Michael von der Schulenburg warnte die Menschen vor einem drohenden Weltenbrand: "Wir sind in der gefährlichsten Lage, die wir jemals gehabt haben." Insbesondere auch deshalb, weil das Völkerrecht komplett zusammengebrochen sei. Seit 1992 seien die USA, Frankreich und Großbritannien permanent völkerrechtswidrig in andere Länder einmarschiert, davon allein die USA insgesamt 251-mal – jeweils entgegen der UN-Charta. Jetzt, beim Einmarsch Russlands in die Ukraine, besinnen sich diese Länder auf einmal auf das Völkerrecht, wundert sich der ehemalige Diplomat.
Dabei gelte das doch schon lange nicht mehr. Mit der sogenannten Wolfowitz-Doktrin aus dem Jahr 1992 hätten sich die USA als zuständig für den Weltfrieden erklärt. Statt auf die UN-Charta bezögen sich US-Politiker inzwischen auf eine sogenannte "regelbasierte Ordnung".
Eine Ordnung, die diesen Namen verdiene, existiere aber weder als internationales Vertragswerk noch in sonstiger Rechtsform. 90 Prozent der Weltbevölkerung kennen diese Ordnung nicht einmal. An dieser Stelle erinnerte der Diplomat auch an die ignorierte UN-Charta von Paris und die darin versprochene gegenseitige Achtung der Nationen, die nach dem Kalten Krieg in Frankreich beschlossen wurde.
Künstliche Intelligenz bestimmt über Krieg und Frieden
Das besonders Gefährliche an der aktuellen Situation seien neue KI-Waffensysteme bei gleichzeitiger Aufgabe sämtlicher Rüstungskontrollverträge. Diese Verträge hätten im Kalten Krieg dafür gesorgt, dass im Falle einer drohenden Eskalation beide Parteien eine höhere Reaktionszeit gehabt hätten, um zu prüfen, was tatsächlich passierte. Bei den mit künstlicher "Intelligenz" ausgestatteten Systemen sei dagegen kein Mensch mehr in der Lage zu prüfen, wann ein Angriff stattfindet. Das Geschehen werde von KI-Systemen bewertet und dirigiert.
"Wir kommen damit in ein Zeitalter, wo wir Menschen die Kontrolle über Krieg und Frieden verlieren."
Aufgrund der geopolitischen Spannungslage seien wir Europäer im Verhältnis zu anderen Kontinenten in der gefährdetsten Position. Das Schlimmste daran sei, so der frühere UN-Diplomat, dass es aktuell keinerlei politisches Konzept für eine Friedensordnung gebe. Damit bewege sich Europa am Rande des Untergangs. Insgesamt hätten 99 Prozent unserer Mitmenschen zudem keine Ahnung, in welcher Lage man sich hierzulande befinde.
Nach dieser Rede von der Schulenburgs wirkten die Ansagen zum Kundgebungsbeginn, wer sich alles an der Friedensdemo beteiligen dürfe und wer nicht, und welche Fahnen erlaubt beziehungsweise nicht erlaubt seien, fast unbedeutend. Nach dieser Rede sollte sich eigentlich jeder, der sie verstanden hat, für die Wiedereinsetzung der UN-Charta und das sofortige Ende des Krieges in der Ukraine einsetzen. Dazu rief der ehemalige UN-Diplomat die Teilnehmer der Friedenskundgebung eindringlich auf.
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