Europa

WHO-Prognose: Bis Ende März 2022 ist jeder zweite Europäer mit Omikron infiziert

Nach Einschätzung des WHO-Europa-Direktors Hans Kluge werden sich in den kommenden acht Wochen bis zu 200 Millionen Menschen in Europa mit der Omikron-Variante des Coronavirus angesteckt haben. Diese Prognose basiert wiederum auf einer Modellrechnung.
WHO-Prognose: Bis Ende März 2022 ist jeder zweite Europäer mit Omikron infiziertQuelle: www.globallookpress.com © TOBIAS STEINMAURER via www.imago

Eine Analyse von Bernhard Loyen

Am 11. Januar verbreiteten Medien wie Der Spiegel, n-tv, die Tagesschau und die Süddeutsche Zeitung bundesweit Informationen, ausgehend einer Mitteilung der Deutschen Presse-Agentur (dpa), wonach sich innerhalb der kommenden acht Wochen – also bis Ende März – 50 Prozent der europäischen Bevölkerung mit der jüngsten Omikron-Variante des Coronavirus infizieren "könnten". Diese Meldung wurde später von der dpa mit jüngsten Zitaten des Europa-Direktors der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Hans Kluge untermauert. Dieser hatte am Dienstag dieser Woche bei seiner ersten Online-Pressekonferenz im Jahr 2022 ebenfalls entsprechende Andeutungen geäußert.

Hans Kluge begründete seine Prognose laut Medien damit, dass "Omikron wegen seiner Mutationen menschliche Zellen schneller befällt und dies auch Geimpfte und Genesene" betreffe. Die Argumentationslinie und die daraus formulierte Mutmaßung einer zeitnahen hohen europäischen Infektionsrate resultieren aus einer aktuellen Hochrechnung des Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME), so erläutert die dpa zu den Äußerungen des WHO-Europa-Direktors. Kluge berichtet, dass nach seinen Informationen "in der Region Europa in der ersten Woche des Jahres 2022 über 7 Millionen neue COVID-19-Fälle gemeldet wurden, was mehr als eine Verdoppelung innerhalb von zwei Wochen bedeutet". 

Demnach hätten am 10. Januar 26 Länder gemeldet, dass "sich jede Woche mehr als 1 Prozent ihrer Bevölkerung mit COVID-19 infiziert" hätten, so Kluge in seinen Angaben auf dem WHO-Twitter Kanal.

Argumentativ bezieht sich Kluge auf Ergebnisse, ausgehend von "einer Reihe von Modellen" (so nachzulesen auf der Seite des US-Forschungsinstituts), die besagen würden, dass mehr als 50 Prozent der Bevölkerung in der Region in den nächsten 6 bis 8 Wochen mit Omikron infiziert sein werden. Entsprechende individuelle Konsequenzen betroffener Länder müssten sich nach Kluges Einschätzung "nach ihrer epidemiologischen Situation, den verfügbaren Ressourcen, dem Stand der Impfung und dem sozioökonomischen Kontext richten".

Der Spiegel konfrontierte seine Leser in einem Artikel mit der Formulierung: "Die Weltgesundheitsorganisation WHO erwartet eine explosionsartige Ausbreitung der Coronavariante Omikron in Europa." Die Süddeutsche, die Tagesschau, aber auch der britische Guardian übernahmen die wortwörtliche Formulierung "Flutwelle" des WHO-Europa-Direktors: "Heute stellt die Omikron-Variante eine neue Flutwelle von West nach Ost dar, die über die Region hinwegfegt, zusätzlich zu der Delta-Welle, die alle Länder bis Ende 2021 bewältigt haben."

Die dpa beruft sich in ihrer Meldung lediglich auf eine inhaltliche Aussage der jüngsten Veröffentlichungen des US-Instituts aus Washington. Es ist aufschlussreich, welche Informationen vom Institute for Health Metrics and Evaluation nicht übernommen wurden, die also den potentiell interessierten Medien, denen die dpa als Quelle ausreicht, vorenthalten wurden. Die dpa-Meldung enthält u.a. folgende Formulierung: "In einem Bericht des Instituts vom 8. Januar heißt es wörtlich: 'Unsere Modelle für die Europäische Region legen nahe, dass Mitte Januar mit mehr als 12 Millionen Infektionen pro Tag ein Höchststand erreicht wird – wobei die nationalen Höchststände erheblich variieren werden, mit späteren Höchstständen in Zentralasien.'" Und weiter: "Wir rechnen damit, dass sich in den nächsten 6 bis 8 Wochen mehr als 50 Prozent der Euro-Bevölkerung mit Omikron infizieren werden." Der Rest der Meldung beruft sich einzig auf die Äußerungen des WHO-EU-Direktors.

Daher folgen noch weitere Informationen, die die Webseite des US-Instituts zum Thema der europaweiten Omikron-Krise und der modellierten Zahlen zur Verfügung stellt. Zu Beginn wird detailliert die Vorgehensweise des Instituts dargestellt. Diese Ergebnisse werden dann zum Beispiel argumentativ von dem WHO-EU-Direktor übernommen und finden final ihren Weg über entsprechende Medienberichterstattung in das Bewusstsein der Bürger:

"Wir haben eine Reihe von Modellen für jedes Land der Welt erstellt, die die Omikron-Variante widerspiegeln – ihre dramatische Ausbreitung auf der ganzen Welt, den rasanten Anstieg der Infektionen und Fälle – und wir haben modelliert, was dies für Krankenhauseinweisungen und Todesfälle bis Anfang April bedeutet."

Demnach erwartet das Institut aufgrund seiner Modellierungen, dass auf globaler Ebene "3 Milliarden oder mehr Omikron-Infektionen in den nächsten zwei bis drei Monaten" zu erwarten seien, was wiederum "zu einer Verdreifachung der weltweit gemeldeten Fälle führen wird". Die Darlegung ergänzt, dass "dies zu einem weltweiten Anstieg der Krankenhauseinweisungen führen [werde], der jedoch glücklicherweise geringer ausfallen wird als der vorherige Delta-Anstieg und der vorherige Winter-Anstieg in der nördlichen Hemisphäre". Die Modellierung berücksichtigt auch die Thematik "Erkannte Infektionen". Die Prognose dazu lautet:

"Da ein so großer Anteil der Infektionen asymptomatisch ist, werden viele gar nicht erst zu einem Test gehen. Nur diejenigen, die im Rahmen eines routinemäßigen Screening-Programms, sei es am Arbeitsplatz oder in der Schule,  werden wahrscheinlich entdeckt, und deshalb erwarten wir, dass die Infektionsentdeckungsrate [der Anteil der Infektionen, bei denen ein positiver Test durchgeführt wird] sinken wird."

Unter der Absatzüberschrift "Krankenhausaufenthalte und Todesfälle" finden sich folgende Mutmaßungen: "Die Auswirkungen auf Krankenhausaufenthalte und Todesfälle sind das, worüber sich alle am meisten Sorgen machen. Ich denke, wenn es auch nur einen Funken einer guten Nachricht gibt, dann ist das der Punkt, an dem wir ansetzen können. Aufgrund der stark gesunkenen Infektions- und Hospitalisierungsrate und der noch stärker gesunkenen Sterblichkeitsrate wird sich dieser massive Anstieg der Infektionen und Fälle in einem geringeren Anstieg der Krankenhauseinweisungen niederschlagen als die Delta-Welle oder die Winterspitze im letzten Winter auf globaler Ebene." Zur Situation in Großbritannien heißt es:

"Diese Entwicklung wird von Land zu Land sehr unterschiedlich sein. Ein Land, das bei der Bewältigung dieser Omikron-Welle anderen voraus ist, ist das Vereinigte Königreich. Im Vereinigten Königreich erwarten wir einen starken Anstieg der Infektionen und Fälle, einen Anstieg der Krankenhauseinweisungen, auch wenn dieser noch nicht eingetreten ist, und schließlich einen sehr bescheidenen Anstieg der Todesfälle, der viel geringer ausfallen wird als bei der letzten Winterwelle im letzten Jahr im Vereinigten Königreich."

Aktuelle Erkenntnisse hätten bestätigt, dass die Omikron-Variante "übertragbarer" sei:

"Und, was vielleicht noch wichtiger ist, es gibt etwas, das wir als 'immune escape' bezeichnen, d. h. 40-60 Prozent der Menschen, die zuvor mit einer anderen Variante wie Delta oder den Vorläufervarianten infiziert waren, sind immer noch anfällig für Omikron. Diese Kombination ist also die Ursache für den rasanten Anstieg der Fälle, den wir in vielen Ländern beobachten."

Für das generelle Verständnis der Auswirkungen von Omikron sei jedoch nach den Darlegungen des Instituts wichtiger zu verstehen, dass "der Anteil der Infektionen, die asymptomatisch sind, viel höher zu sein [scheint]. Es gibt eine Reihe von Datenquellen, vielleicht die überzeugendste aus Südafrika, aber wir haben dies auch in Analysen von Sportmannschaften in den USA gesehen, aber es ist wahrscheinlich, dass wir von etwa 40 Prozent der Infektionen, die asymptomatisch sind, auf über 90 Prozent und vielleicht sogar bis zu 95 Prozent asymptomatisch gekommen sind".

Es sei daher davon auszugehen, dass die "Infektions-Hospitalisierungs-Rate, d. h. der Anteil der Infektionen, die im Krankenhaus enden (…), bei Omikron wahrscheinlich 90 bis 96 Prozent niedriger ist als bei Delta." Zudem zeichne sich ab, dass "auch die Sterblichkeitsrate [die Todesfälle unter den Infizierten] bei Omikron dramatisch niedriger als bei Delta [liegt], wahrscheinlich 97 bis 99 Prozent", so weiter in den Darlegungen des US-Instituts.

Alle hier ergänzend zitierten Inhalte, bezugnehmend auf die Darlegungen und Einschätzungen des WHO-EU-Direktors Kluge und der dpa-Meldung vom 11. Januar 2022, entsprechen den Einschätzungen des IHME-Direktors und leitenden Modellierers Dr. Christopher J. L. Murray in einem Video vom 22. Dezember 2021, das abrufbar ist als Transkription auf der Seite des Instituts unter der Rubrik: "(...) jüngster COVID-19-Modelllauf." Die neuesten Erkenntnisse des Instituts vom 08. Januar 2022 stehen schon als Video ohne Transkription auf der Seite des "IHME-COVID-19 Model Insights Blog".

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