Europa

Bundeswehr und Infrastruktur werden auf Krieg an der Ostflanke vorbereitet

Generalinspekteur Zorn will die Bundeswehr für ein "hochintensives Szenario" an der Ostgrenze der NATO vorbereitet sehen. Die Ausrichtung auf eine vereinfachte Verlegung von Truppen und Material an die Ostflanke findet bereits seit Längerem statt.
Bundeswehr und Infrastruktur werden auf Krieg an der Ostflanke vorbereitetQuelle: www.globallookpress.com © Alexander Welscher/dpa/ Global Look Press

Der litauische Staatspräsident Gitanas Nausėda bezeichnete den Raketeneinschlag in Polen am Mittwoch als "ziemlich wichtige neue Etappe in diesem Krieg". Während die Pforzheimer Zeitung am Mittwoch mit Bezug auf den tödlichen Raketeneinschlag davon ausgeht, dass die "NATO als Reaktion auf diesen Vorfall ihre Truppen an der Ostflanke noch einmal verstärken" werde, und fordert, dass "die NATO wach bleiben" müsse, kann bei einem Blick auf militärische Entwicklungen und Schwerpunkte kaum von einer Reaktion die Rede sein. Dass die Raketen, die zwei Menschen in Polen getötet haben, aus der Ukraine kamen, ist nunmehr ohnehin nebensächlich.

In einem Grundsatzpapier mit dem Titel "Operative Leitlinien für die Streitkräfte" hatte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, bereits im September auf fast 70 Seiten dargelegt, dass die Bundeswehr nach vielen Auslandseinsätzen ihre Strategie auf einen drohenden Konflikt mit Russland ausrichten und die NATO-Ostflanke stärken müsse. Dabei müsse Deutschland in Europa eine Vorreiterrolle einnehmen. "Einsatzbereite, an einem hochintensiven Szenario ausgerichtete und ausgebildete Streitkräfte bilden das Rückgrat dieser Abschreckung", zitiert Der Spiegel aus dem Papier. Statt kleinere, spezialisierte Einheiten in Auslandsmissionen zu schicken, müsse man demnach für die NATO jederzeit einsatz- und kampfbereite Großverbände bereithalten.

Der Bundeswehrgeneralinspekteur setzt damit die von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte "Zeitenwende" in eine Strategie um, denn "Krieg in Europa ist wieder Realität", heißt es dort. Zwar lautete der Tenor bereits seit dem Jahr 2014, dass die Landes- und Bündnisverteidigung nun Hauptschwerpunkt sein müssen. Doch werde nun über kleine Vorauskommandos in den östlichen NATO-Staaten hinaus gedacht, das Umdenken auch in der Bundeswehr sei wegen der erst seit diesem Jahr ernsthaften Bedrohung durch Russland erfolgt.

Bislang war demnach nicht vorgesehen, etwa eine Division – 10.000 Soldaten inklusive Kampfgerät und Logistik – für eine solche schnelle Eingreiftruppe bereitzuhalten. Das habe sich angesichts der Lage in der Ukraine jedoch geändert, heißt es in dem Papier vom September. Bis 2024 solle Deutschland eine komplett ausgestattete Division stellen können. Deutschlands Führungsrolle habe man auch wegen der Erwartungshaltung der Bündnispartner auszuüben, doch sie sei bisher unter anderem wegen der peinlichen Pannenserien der Bundeswehr auch an der NATO-Ostflanke nicht überzeugend darzustellen.

Somit hat nicht erst der Vorfall in Polen diese Reaktion ausgelöst, auch wenn er trotz der Aufklärung um den Ursprung der Rakete nun dazu dient, das Vorhaben zu untermauern. Auch steht die schnelle Verlegefähigkeit von Truppen und Material Richtung Ostflanke nicht erst seit diesem Jahr auf dem Plan der NATO.

In der vergangenen Woche präsentierte die EU einen neuen Aktionsplan zur Verbesserung der militärischen Mobilität zwischen West und Ost, oder genauer, für die schnelle Verladung von Truppen und Material "hauptsächlich von West nach Ost", wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell es deutlich sagte. So sollen Straßen, Brücken, Tunnel und Häfen und die Kraftstoffversorgung auf die Nutzung durch Militär ausgebaut und dieses in Krisenzeiten bevorzugt auf Transportkapazitäten zugreifen dürfen.

Seit 2014 steht das Thema auf der Tagesordnung der EU, 2018 legte die Kommission ihren ersten Aktionsplan vor. Seither hat die Kommission eine Summe in Höhe von 340 Millionen Euro zugesagt, mit der beispielsweise die Traglast von Brücken oder die Durchfahrtshöhe von Tunneln an militärische Bedürfnisse angepasst werden sollen, wie die FAZ schrieb. Bis 2027 stehen Investitionen von 1,5 Milliarden Euro für militärische Mobilität im EU-Haushalt und weitere 1,7 Milliarden Euro unter dem zivil-gemeinschaftlich klingenden Finanzierungsinstrument "Connecting Europe" zur Verfügung.

Derweil gewinnt das Bedrohungsszenario an dramaturgischen Höhepunkten, ungeachtet der Tatsache, dass die Gefahr hier aus der Ukraine kam. Polen wird laut dem litauischen Staatspräsidenten Nausėda am Mittwoch die Aktivierung von Artikel 4 des Nordatlantikvertrags beantragen. Dieser sieht Konsultationen vor, wenn ein Mitglied meint, dass die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sind. "Litauen wird sich aktiv an der Diskussion beteiligen und über den Einsatz von Luftverteidigungssystemen sprechen, vor allem an der polnischen Grenze zur Ukraine. Aber wir schauen weiter, wir betrachten die gesamte NATO-Ostflanke", betonte Nausėda nach einer Sondersitzung in Litauen zur Sicherheitslage der Region am Mittwoch.

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