Europa

Polen baut Atomkraftwerke an der Ostsee – bei einem GAU Berlin bis Hamburg verseucht

Polen plant, in die Atomkraft einzusteigen. Ein oder zwei AKWs sollen bei Gdansk gebaut werden – absolut sicher und keine Gefahr für die Nachbarländer. Dem widerspricht eine Studie von Nuklearexperten. Auch für Deutschland besteht die Gefahr radioaktiver Verseuchung.
Polen baut Atomkraftwerke an der Ostsee – bei einem GAU Berlin bis Hamburg verseuchtQuelle: Reuters © Dominik Sadowski/Agencja Gazeta

Die polnische Regierung plant den Neubau von Atomkraftwerken (AKW) an der Ostsee. Die Nachbarländer wurden bei der Planung nicht konsultiert – die polnische Regierung behauptet, selbst im Katastrophenfall würde keine Gefahr für Nachbarstaaten bestehen. Ein neues Gutachten zeigt ein anderes Bild: Im Falle des GAU ("größter anzunehmender Unfall") wären 4,5 Millionen Menschen betroffen – je nach Wetterlage bis zu 1,8 Millionen Menschen in Deutschland. Von Berlin bis Hamburg wäre eine radioaktive Verseuchung möglich.

Für Polen ist der Bau der AKW ein Prestigeprojekt. Ein oder direkt zwei neue Kraftwerke sollen nach derzeitigen Planungen bis 2033 erbaut werden. Unterstützung kommt aus den USA. Polen will sich damit unabhängig machen von der Fundierung der eigenen Energiegewinnung auf Steinkohle und von Strom- und Gasimporten – insbesondere aus Russland.

Bereits 1972 hatte die Volksrepublik Polen ein Atomprojekt aufgenommen – unterstützt von der Sowjetunion. Nach der Katastrophe von Tschernobyl, den aufkeimenden Protesten gegen Atomkraft und der Zerfall des Realen Sozialismus wurde das Projekt 1989 eingestellt. Seitdem verwittert die Bauruine am See Jezioro Żarnowieckie, in der Nähe der Städtchen Żarnowiec und Kopalino – etwa 50 Kilometer nordwestlich von Gdańsk (Danzig).

Genau dort soll demnächst der Bau der neuen Atomkraftwerke in Angriff genommen werden. 2019 stellte die Regierung in Warschau ihren Energieplan bis zum Jahr 2040 vor – darin werden die Atomkraftwerke aufgezählt. Beim zuständigen Genfer Büro zur Abstimmung von Umweltauswirkungen in Grenzregionen, der Espoo Convention, sagte sie aus, dass die Nachbarstaaten nicht von ihren Plänen betroffen seien – damit seien eine Konsultation mit der deutschen Regierung oder eine Anhörung deutscher Anwohner nicht notwendig.

Obwohl Anrainerstaaten nach internationaler Konvention ein Informationsrecht haben, versäumte die Bundesregierung, dieses in Anspruch zu nehmen. Das werfen die Grünen der Bundesregierung vor und gaben selbst ein Gutachten in Auftrag. Die Grünen-Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl, Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, nennt es "bezeichnend, mit welcher Lethargie die Bundesregierung die Atompläne in unserem Nachbarland verfolgt". Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland(RND)sagte sie:

"Die potenziell gravierenden Auswirkungen auf Metropolen wie Berlin und Hamburg sollten gerade vor dem Hintergrund des deutschen Atomausstiegs Engagement statt Desinteresse wecken."

Gutachten: Im schlimmsten Fall Berlin bis Hamburg verseucht

Das Gutachten von fünf Umwelt- und Nuklearexperten, unter anderem von den Universitäten Genf und Luzern, kommt zu dem Ergebnis, dass in drei Viertel der möglichen Wetterbedingungen die Nachbarländer stärker von radioaktiver Strahlung bei einem GAU betroffen wären als Polen selbst. Deutschland wäre demnach in einem Fünftel der Simulationen betroffen, also mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent.

Der nach dem Super-GAU im japanischen Fukushima angewandte Grenzwert für längerfristige Evakuierungen, 20 Millisievert pro Jahr, würde laut dem Gutachten im schlimmsten Fall vor allem die südliche und westliche Umgebung von Berlin sowie den Nordosten von Hamburg erreichen. Insgesamt wären nach einem Unfall der höchsten Kategorie etwa 4,5 Millionen Menschen in ganz Europa von erhöhter radioaktiver Strahlung betroffen. In Deutschland müssten im schlimmsten Fall bis zu 1,8 Millionen Menschen für mindestens ein Jahr aus ihren Wohnorten evakuiert werden. Selbst bei einem weniger schlimmen Verlauf müssten mindestens 200.000 Menschen in Deutschland ihre Häuser für mindestens ein Jahr verlassen.

Auf die Kritik der Grünen reagierte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth. Gegenüber dem RNDäußerte er:

"Nach intensiver Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium haben wir dem dafür zuständigen Espoo-Komitee fristgerecht am 12. Januar mitgeteilt, dass wir eine Betroffenheit Deutschlands von den polnischen Energieplänen nicht ausschließen können."

Die Bundesregierung werde selbstverständlich die nationalstaatliche Hoheit Polens über seine Energie- und Umweltpolitik respektieren und nur dort Beratungsbedarf anmelden, wo Deutschland sich betroffen sieht, so Flasbarth. Polens geplanter Einstieg in die Atomkraft gehöre dazu: "Die Frage, wie sich der Bau neuer AKW auf Deutschland auswirkt, ist für uns dabei sehr relevant." Nach seinen Angaben wolle das Umweltministerium erreichen, Einsicht in die Details des Projektes zu bekommen – etwa in die geplanten Reaktortypen und Sicherheitsvorkehrungen.

Die notwendigen Schritte müssen dazu aber vom Bundeswirtschaftsministerium unter Peter Altmaier (CDU) ausgehen. Dieses müsse eine entsprechende Anfrage an die polnische Regierung richten. Nach der Übermittlung der Informationen aus Polen könne das Wirtschaftsministerium auf seiner Webseite die deutsche Öffentlichkeit über Risiken und Sicherheitsvorkehrungen der polnischen Atomkraftwerke informieren.

Zudem könne die Bundesregierung aufgrund der polnischen Informationen entscheiden, ob sie selbst eine Stellungnahme für Deutschland zu den Planungen abgibt. Genau das fordert die Grünen-Politikerin Kotting-Uhl von der Bundesregierung:

"Die Bundesregierung kann die irrsinnigen polnischen Atompläne nicht aufhalten, aber ihre betroffenen Bürger informieren, Mitspracherecht einfordern und mit einem wachsamen Auge auf die bestmögliche Sicherheit der Anlagen pochen."

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