Europa

Englische Wikipedia kürt "Putinversteher" zum Begriff der Weltsprache

Auch die englischsprachige Wikipedia kennt bereits seit April 2018 den deutschen Begriff "Putinversteher". Regelmäßig wurde dort der entsprechende Eintrag ergänzt und umformuliert. Interessant ist die Chronologie der mehr als 80 Aktualisierungen.
Englische Wikipedia kürt "Putinversteher" zum Begriff der Weltsprache© picture alliance / Kontributor

Erstmalig wurde der deutsche Begriff "Putinversteher" den Lesern der englischsprachigen Online-Enzyklopädie Wikipedia am 8. April 2018 erläutert. Zur Begriffserklärung hieß es in dem ersten Beitrag zu der Wortneuschöpfung:

"Putinversteher ist ein deutscher politischer Neologismus, der wörtlich übersetzt 'einer, der Putin versteht' bedeutet. Es ist eine abwertende Bezeichnung für Politiker und Experten, die Wladimir Putin gegenüber Mitgefühl zeigen, d. h. sagen: 'Ja, aber man muss Putins Position verstehen.'"

Als Beispiel für einen "Putinversteher" wurde im Jahr 2018 Helmut Schmidt, der ehemalige SPD-Bundeskanzler von 1974 bis 1982 genannt, der im Jahre 2015 verstarb. Dazu heißt es:

"Ein Beispiel für einen Putinversteher ist der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt, der sagte, Putins Annexion der Krim sei zwar unrechtmäßig, aber 'verständlich'."

Dazu wird noch auf ein Unternehmen hingewiesen, welches unter dem Namen "Putinversteher" in Russland "Erinnerungsstücke" veräußerte. Am 8. April 2018 wurde der Satz hinzugefügt: "Ein ähnlicher Begriff ist 'Russlandversteher'." Ende April 2018 erfolgte dann die Ergänzung dieses Textbeitrags um folgende Sätze:

"Ein wichtiger Eckpfeiler der 'Putin-freundlichen' Haltung sind die 'legitimen Interessen Russlands' in den postsowjetischen Staaten. Der Putinversteher-Kreis ist politisch heterogen und umfasst sowohl einige linke als auch rechte politische Gruppen. Er umfasst auch Geschäftsleute mit Geschäftsinteressen in Russland."

Im September 2018 erfolgte der Zusatz, dass der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Paul Roderick Gregory schon im Jahre 2014 geschrieben hatte, dass erwähnte "Geschäftsleute mit Geschäftsinteressen" als Putins "erste Verteidigungslinie gegen sinnvolle [sogenannte] europäische Sanktionen für den Anschluss der Krim dienen" würden.

Im April 2019 erfolgte eine weitere Aktualisierung: "Es kann auch mit 'Putin'-'Empathisant' übersetzt werden", gefolgt von der erläuternden Ergänzung: "Ein weiterer typischer Wesenszug der Putinversteher ist der Antiamerikanismus."

Des Weiteren wurde ein anderer deutscher SPD-Politiker zu dem "Putinversteher" Helmut Schmidt hinzugesellt:

"Ein weiterer großer Putinversteher ist ein anderer ehemaliger Bundeskanzler, Gerhard Schröder, der Vorsitzender des Gesellschafterausschusses von Nord Stream ist. Er ruft dazu auf, die russischen 'Empfindlichkeiten' zu respektieren und sekundiert das russische Argument, das den Separatismus der Krim mit dem des Kosovo vergleicht."

Bis Februar 2022 erfolgen diverse kleine Umformulierungen und Quellenergänzungen, jedoch nicht inhaltlicher Art. Am 28. Februar 2022 nun erfolgten dann gleich mehrere Neudeutungen anhand von Beispielen für "Putinversteher". Diese erfolgten über einen wie üblich anonymisierten Wikipedia-Admin, der bis dato noch gar nicht an dem Artikel tätig gewesen war. So wurde beginnend beim ersten Absatz ergänzt:

"Putinversteher gibt es vor allem in der rechten Partei AfD und den sozialistischen Parteien Die Linke und vor allem SPD."

Der anschließende Schmidt/Schröder-Absatz wurde ebenfalls ergänzend umformuliert:

"Ein Beispiel für einen Putinversteher ist der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt, der sagte, Putins Annexion der Krim sei zwar illegitim, aber 'verständlich'. Dieselbe Meinung vertrat der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck, der darüber hinaus forderte, die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 zu legalisieren."

Des Weiteren hieß es in einer ersten Version:

"Weitere bekannte Putinversteher sind die westdeutsche Feministin Alice Schwarzer und der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD)."

Verheugen forderte im Februar 2022:

"Der Westen und Russland haben sich immer mehr entfremdet. Irgendwann müssen sie wieder miteinander reden."

Schwarzer schrieb später, am 14. April 2022, in einem prägnanten Kommentar mit der Überschrift: "Ukraine-Krieg: Frieden jetzt" auf der Webseite ihres Magazins Emma:

"Ich verstehe zurzeit so manches nicht, eines aber verstehe ich gar nicht: Was soll die rückwirkende Schelte für Steinmeier und Merkel? Während der Amtszeit des Ex-Außenministers und der Ex-Kanzlerin gab es keinen Krieg, sondern Frieden."

Am 28. Februar kam im Verlauf des Tages dann die finale Version dieses aktualisierten Absatzes der englischen Wikipedia:

"Weitere bekannte Putinversteher sind Sahra Wagenknecht (Die Linke), die westdeutsche Feministin Alice Schwarzer und der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD)."

Schließlich kam am frühen Abend desselben Tages noch eine weitere Ergänzung des zweiten Hauptabsatzes im englischen Wikipedia-Artikel, sinngemäß:

"Der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Klaus von Dohnanyi (SPD), sagte noch im Januar 2022: 'Ich sehe keine Radikalisierung bei Putin. Ich sehe eher die konsequente Verfolgung seines Ziels, wieder ein Faktor in der Weltpolitik zu werden.'"

Am 3. März erfolgte erneut eine Ergänzung des gesamten Beitrages, und zwar am Ende des ersten Hauptabsatzes:

"Der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière, behauptete am 25. Februar 2022 in einem Interview, der Westen habe nicht auf Putin gehört. Und weiter: 'Weite Kreise der russischen Gesellschaft denken so, dass Russland mit seiner Weltsicht mehr Respekt verdient und auch seine Lebensweise verteidigen muss.'"

Günter Verheugens Erwähnung erhielt ebenfalls am 3. März einen Nebensatz: "… der 2014 einige Mitglieder der ukrainischen Regierung als 'Faschisten' bezeichnete." Am 7. April wurde dann der gesamte "Putinversteher"-Beitrag vollkommen neu strukturiert, unterteilt in die sechs Kapitel: "Herkunft des Begriffs, Rezeption des Begriffs, Wichtige Apologeten Putins und Russlands, Siehe auch, Externe Links." Unter dem Kapitel "Siehe auch" wurden zwei externe Links zu den Begrifflichkeiten "Mitreisender oder weniger freundlich ausgedrückt nützlicher Idiot" platziert. Unter dem Kapitel Herkunft des Begriffs, heißt es nun:

"Der Begriff Putin-Versteher wurde erstmals im März 2014 von Spiegel Online und welt.de verwendet, als Mitglieder der deutschen Partei Die Linke erklärten, die Annexion der Krim durch die Russische Föderation sei verständlich und gerechtfertigt. Sie argumentierten, dass Russlands 'legitime Interessen in der Region' berücksichtigt werden müssten. Auch Mitglieder anderer Parteien, darunter der ehemalige sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder, verteidigten Putin, was selbst seine glühendsten Bewunderer in der Partei verärgerte."

Das Kapitel Rezeption wurde mit der Erläuterung aktualisiert:

"Putin-Versteher, in der Bedeutung 'Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Russisch-Ukrainischen Krieg', wurde mit am häufigsten zum Unwort des Jahres 2014 (Unwort des Jahres, analog zum 'Wort des Jahres') gewählt, verlor aber gegen Lügenpresse."

Am 9. April wurde der Nebensatz zu Günther Verheugen präzisierend umformuliert von: "… der einige Mitglieder der ukrainischen Regierung im Jahr 2014 als 'Faschisten' bezeichnete." zu: "… der die Svoboda-Mitglieder der ukrainischen Regierung 2014 als 'Faschisten' bezeichnete." Des Weiteren wurde die Rubrik "Wichtige Apologeten Putins und Russlands" ausgetauscht gegen "Kritik". In diesem Abschnitt wurden am 15. April die Einträge zu Helmut Schmidt, Gerhard Schröder, Klaus von Dohnanyi und Matthias Platzeck gänzlich entfernt.

Seit dem 12. April wurde der Hinweis auf Wagenknecht, Schwarzer und Verheugen im Satzbeginn geändert. Dort heißt es nun: "Andere bekannte Persönlichkeiten, die von der deutschen konservativen Zeitung Die Welt als Putinversteher bezeichnet werden, sind ..."

Seit dem 15. April, 22.50 Uhr, erfolgten bislang keine weiteren Aktualisierungen. Man darf gespannt bleiben.

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