Europa

Nächster Riss in der EU: Österreich langt's mit den Russland-Sanktionen

Die Russland-Sanktionen der EU treiben diese selbst immer tiefer in die Krise. Angesichts des bevorstehenden Winters und der galoppierenden Inflation bröckelt die Zustimmung der Bevölkerung zu den Maßnahmen. In Österreich verlangt nun offenbar eine Mehrheit der Bürger ein Ende dieser selbstzerstörerischen Politik.
Nächster Riss in der EU: Österreich langt's mit den Russland-SanktionenQuelle: www.globallookpress.com © photonews.at/Georges Schneider v

Bald dauern die verschärften Sanktionen, die die EU nach dem Februar 2022 gegen Russland verhängt hat, ein halbes Jahr, ohne dass sie die Politik Moskaus auch nur um einen Millimeter verändert hätten. Doch lässt sich nicht behaupten, die EU-Sanktionen seien gänzlich folgenlos geblieben. Keineswegs, denn ihre beträchtliche Wirkung entfaltet sich zielgerichtet gegen die 'eigenen' Unternehmen, das heißt gegen die eigenen Volkswirtschaften im EU-Raum. Die gesellschaftlichen Folgen sind mittlerweile in allen EU-Ländern zu beobachten.

Ein Tabubruch?

Vor diesem Hintergrund hat die österreichische Kronen Zeitung beziehungsweise ihr Fernsehkanal krone.tv nach der Stimmungslage unter den Österreichern gefragt. Durchgeführt wurde die Befragung im Auftrag des Senders Puls4 vom "Institut für Demoskopie und Datenanalyse" (IFDD), das regelmäßig als Medienpartner dieser Zeitung und der mit ihr verbundenen Publikationsorgane und Medienportale fungiert.

In der Sendung "Nachgefragt" präsentierte einer der Direktoren des IFDD, Christoph Haselmayer, die Ergebnisse der Meinungsumfrage. Sein Befund für die Wiener Bundesregierung ist, kurz gesagt, verheerend – ebenso der für die Brüsseler Russland-Politik.

Ähnlich wie längst schon die ungarische Bevölkerung scheinen mittlerweile auch die Bürger Österreichs die antirussischen Sanktionen mehrheitlich abzulehnen. So würden 82 Prozent (von etwa 1.000 Umfrageteilnehmern) folgender Aussage ganz oder teilweise zustimmen: "Während Wladimir Putin seine Kriegsstrategie verfolgt, leiden wir in Österreich unter den Sanktionen gegen Russland." Die Österreicher würden somit der Schlussfolgerung zustimmen: "Wir leiden eher unter den Sanktionen als die Russen."

Kritik an der Wiener Politik

Ebenso sehen mehr als zwei Drittel der Österreicher die Rolle der Wiener Politik kritisch: Auf die Frage "Ist Österreich im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine neutral?" antworteten 67 Prozent der Befragten mit einem Nein, und zwar deshalb, weil Österreich als EU-Mitglied die Sanktionen mittrage. Dagegen meinten 28 Prozent, Österreich sei neutral, weil es keine Waffen an die Ukraine liefere.

Deutlich gespaltener zeigt sich die österreichische Gesellschaft hinsichtlich der Waffenlieferungen. Die Frage, ob mehr Waffen an Kiew geliefert werden sollten, weil andere europäische Regierungen, auch solche unter Beteiligung 'grüner' Parteien, dafür plädieren, ergab kein klares Bild. Auf die Frage "Sollen westliche Staaten weiter Waffen an die Ukraine liefern?" meinen 44 Prozent der Österreicher ja, 45 Prozent nein. Haselmayer sprach angesichts dieser Haltungen von einer "kompletten Pattsituation".

Eine vierte Frage betraf das Sanktionsregime als solches und richtete sich direkt an die Zuschauer des Senders Puls4. Gefragt wurde, inwiefern die Befragten die Sanktionen an sich aufrechterhalten wollen oder nicht. Die Frage wurde von knapp 7.000 Personen beantwortet: 48 Prozent waren gegen Sanktionen, 43 Prozent dafür. Haselmayer fasst die Stimmungslage, wie sie sich in den Umfragen darstellt, kurz und bündig zusammen:

"Das alles sind Indikatoren, … dass die Stimmung nicht nur gerade beim Kippen ist, sondern dass sie bereits gekippt ist."

Auswege gesucht

Politisch würden vor allem die FPÖ und ihr Vorsitzender Herbert Kickl davon profitieren, dass sie die mehrheitliche Meinung zu diesem Thema aufgreifen und immer "relativ klar in ihren Analysen" sowie "relativ klar in ihren Aussagen" gewesen seien.

Nach Auffassung des Demoskopen würden die jüngeren Generationen sich wegen der Sanktionen nicht einschränken wollen. Zu Einschränkungen seien nur jene Jahrgänge bereit, die kurz vor, während oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geboren sind. Von allen anderen dürfe man dies nicht erwarten, schon gar nicht von den "Baby-Boomern". Denn bisher sei es mit der Wirtschaft immer wieder "nach oben" gegangen und die Leute wollen das Erreichte nicht einfach hergeben.

Haselmayer schloss eine Warnung an: Falls die Prognosen stimmten, "wird es äußerst hässlich im Herbst". Denn, siehe oben, die Stimmung sei "am Kippen und bereits teilweise gekippt".

Verkompliziert werde nach Haselmayers Analyse die Lage durch Äußerungen des politischen Spitzenpersonals.

Zwar könne der von der Wiener Bundesregierung angekündigte "Strompreisdeckel" eine gewisse Erleichterung bringen, doch bleibe die Wirkung abzuwarten. Notwendig dürfte dagegen eine generelle Deckelung der Energiepreise werden. Doch dies allein würde wenig nutzen, wenn der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei den Salzburger Festspielen etwa die Hälfte der österreichischen Bürger "beleidige". Das Staatsoberhaupt hatte sinngemäß geäußert, dass jemand, der sich kritisch gegenüber der Ukraine oder den Sanktionen äußert, faktisch als "Kollaborateur von Russland" auftrete. Diese Äußerung bezeichnete Haselmayer als "massive Grenzüberschreitung":

"Es ist nicht jeder Bundespräsident. Es hat nicht jeder so viele Zehntausende Euro brutto im Jahr zur Verfügung wie der Bundespräsident in der Hofburg, sondern es gibt viele Leute, die nicht wissen, wie sie den nächsten Tag ihre Familie ernähren sollen."

Ungarn "sehr kritisch gegenüber den Sanktionen"

Insofern legte der Meinungsforscher der österreichischen Politik nahe, sich eher an Ungarn und der Politik Orbáns zu orientieren: Nach repräsentativen Umfragen sei die ungarische Bevölkerung eher pro-russisch oder "gegen den Ukraine-Russland-Krieg eingestellt". Diese Stimmung greife Orbán auf. Dieser verfolge eine entsprechende Politik, da er ein "Gespür für die Menschen draußen" habe und die Vertretung ungarischer Interessen an die erste Stelle setze.

Je nachdem, welche Maßnahmen die Wiener Regierung noch ergreifen oder eben nicht ergreifen würde, könnte es in Österreich ab dem Herbst zu Protesten nach Art der französischen "Gelbwesten" kommen, so Haselmayer.

Mehr zum ThemaKreml reagiert auf Anschuldigungen von Siemens: Brauchen rechtskräftige Belege, nicht Worte allein 

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.