Europa

Prager Demonstrant im Gespräch mit RT: "Tschechien kein Sklave von Brüssel, Berlin und Washington"

Im Interview mit RT berichtet ein Teilnehmer der Prager Regierungsproteste von den Forderungen der größtenteils außerparlamentarischen Protestbewegung. Es geht ihnen vor allem um die Wiederherstellung der tschechischen Souveränität und gegen die Politik aus Brüssel und Berlin.
Prager Demonstrant im Gespräch mit RT: "Tschechien kein Sklave von Brüssel, Berlin und Washington"© Felicitas Rabe

Am Samstag war der Wenzelsplatz in Prag in ein Meer tschechischer Flaggen getaucht. Der Platz war derartig voll von Menschen, dass es der Autorin vom Museum kommend nicht gelang, vor die Bühne zu kommen – so dicht standen die Menschen. Sie versammelten sich unter Tschechiens Flaggen, um der Regierung von Ministerpräsident Petr Fiala eine Absage zu erteilen.

Trotz Überfüllung und Platzmangel herrschte eine überaus konzentrierte Stimmung, in der die Menschen voller Aufmerksamkeit hören wollten, was die Redner auf der Bühne vortrugen. Immer wieder gab es frenetischen Applaus, der sofort wieder abebbte, weil die Menschen weiter verstehen wollten, was in den Reden gesagt wurde. Auch wenn man kein Tschechisch versteht, wurde einem anhand einzelner hervorstechender Begriffe, wie zum Beispiel "Greenwashing", klar, dass diese 100.000 Menschen in der tschechischen Hauptstadt die Nase voll hatten – sowohl von ihrer eigenen Regierung als auch von der Agenda westlicher Politik.  

Rund um die riesige Menschenmenge entdeckte man nur hier und da eine Handvoll Polizisten, die zumeist auch noch in normaler Dienstuniform an den Rändern der Demonstration standen – und Polizisten in martialischer Montur, wie sie in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland und vielen anderen EU-Staaten bei Protesten gegen die Regierung massenhaft präsent waren, konnte man am oberen Ende des Wenzelsplatzes an 10 Fingern abzählen.

Um einen persönlichen Eindruck davon zu bekommen, worum es den Menschen auf der Großkundgebung in der tschechischen Hauptstadt ging, befragte RT DE am Rand der Demonstration einen tschechischen Teilnehmer, der Englisch sprach.

Auf die Frage nach den Hauptanliegen und -forderungen der Demonstranten erklärte der 58-jährige Tomáš L. aus Pilsen, dass die Menschen sich aus mehreren Gründen hier versammelten. Neben dem Protest gegen die Preiserhöhungen bei allen Lebenshaltungskosten und insbesondere im Energiesektor lehnten es die Menschen auf dem Wenzelsplatz vor allem ab, dass sich ihre Regierung wie ein Sklave verhalte und allen Anordnungen aus Brüssel, Berlin und den USA gehorche. Das Hauptanliegen bestehe somit in der Wiederherstellung eines souveränen tschechischen Staates mit einer souveränen tschechischen Regierung, die sich für die Interessen und Bedürfnisse der tschechischen Bevölkerung engagiert.

Man habe von vielem die Nase voll, was einem von außen aufgedrängt werde. Dazu gehörten neben vielem anderen auch die Corona-Maßnahmen, genauso wie Regenbogengeschlechter-Diskussionen und aufgesetzte Umweltschutzpolitik in einer Zeit zunehmender sozialer Ungerechtigkeit und Armut.

Auch in der Haltung zum Ukrainekrieg gäbe es eine deutliche Tendenz unter den Anti-Regierungsaktivisten. Zwar würden viele der Demonstranten ukrainische Menschen unterstützen wollen, aber mehrheitlich lehnten sie jegliche Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Schließlich gäbe es ja umso mehr Opfer unter Ukrainern und Russen, je mehr Waffen geliefert würden. Allerdings stünden die Demonstranten nicht fix auf einer Seite.

Danach gefragt, was die Regierungskritiker über die russische Regierung meinten, wägte Tomáš L. ab. Bei vielen Tschechen wäre die Erinnerung an die tschechischen 1968er Proteste und die sowjetische Aufstandsbekämpfung in Prag noch sehr lebendig. Dies könne man den Russen nicht vergessen und bliebe daher der russischen Regierung gegenüber misstrauisch. Aber es sei dennoch festzustellen, dass selbst in Bezug auf die kritische Haltung gegenüber Russland und Putin allmählich ein Wandel bei den tschechischen Regierungskritikern einsetze.  

Auf jeden Fall sei man sich einig, dass kein militärisches Equipment seitens des Westens in die Ukraine geschickt werden solle. Das würde den Krieg nur verlängern und die Zahl der Opfer auf beiden Seiten erhöhen.

Tomáš L. zufolge seien die meisten Demonstrationsteilnehmer parteilos, genau wie auch die Redner aus den außerparlamentarischen politischen Bewegungen kämen. Aus diesem Grund würden außer den tschechischen Flaggen auch keinerlei Fahnen von Parteien oder anderen Organisationen auf der Kundgebung mitgeführt.

Auf die Frage, was er einer Leserschaft in Deutschland darüber hinaus noch gerne mitteilen würde, erinnerte der tschechische Aktivist an den Besuch des deutschen Bundeskanzlers am 29. August in Tschechien. Seiner Meinung nach wolle Olaf Scholz die europäischen Regierungen dazu überreden, in den einzelnen EU-Ländern das Vetorecht abzuschaffen. Dies gelte es in jedem Falle zu verhindern. Der deutsche Bundeskanzler müsse bei seiner Mission zur Abschaffung des Vetorechts in der EU auf jeden Fall gestoppt werden, sonst ginge die letzte Möglichkeit für souveräne Entscheidungen einzelner EU-Staaten verloren.

Polizeiliche Repression gegenüber den Demonstranten befürchte L. erstmal nicht. Bereits bei der Samtenen Revolution 1989 hätte sich gezeigt, dass die Tschechen gewaltfreie Gesellschaftsveränderungen bevorzugen, weil sie ein grundsätzlich friedliebendes Volk seien. Und nach seiner Einschätzung könne man davon ausgehen, dass sich unter den Polizisten ebenfalls mit der Regierung unzufriedene Menschen befänden.

Der Interview-Partner schloss damit ab, dass er gespannt auf die kommenden Regierungswahlen in der Tschechischen Republik im Januar 2023 warte. Immerhin gebe es in Tschechien das Recht, dass sich jeder Mensch über 40 Jahren zur Wahl stellen könne. Er hofft, dass die Tschechen diese Möglichkeit für eine Veränderung nutzen werden.

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