Europa

Kees van der Pijl: "Wilders' angebliche Freiheitspartei ist eine undemokratische Liste"

Seinem Wahlversprechen nach wolle sich Geert Wilders für die kleinen Leute in den Niederlanden einsetzen. Tatsächlich sei er aber eine pro-zionistische Marionette der neoliberalen Eliten, erklärt der holländische Politologe Kees van der Pijl.
Kees van der Pijl: "Wilders' angebliche Freiheitspartei ist eine undemokratische Liste"Quelle: RT © Yves Herman / Reuters

Von Felicitas Rabe

Nach dem großen Wahlsieg von Geert Wilders, dessen PVV-Partei am Mittwoch bei der Regierungswahl in den Niederlanden 37 von insgesamt 150 Parlamentssitzen gewann, hoffen jetzt viele Niederländer auf Unterstützung für die kleinen Leute in ihrem Land. Schließlich hatte Wilders vor der Wahl versprochen, für die niederländischen Menschen da zu sein. 

Inwieweit setzten aber manche seiner Wähler ihre Hoffnungen in jemanden, der etwas anderes vorgibt, als er eigentlich repräsentiert? Darüber sprach die Berichterstatterin mit dem emeritierten holländischen Politikwissenschaftler Prof. Kees van der Pijl am Donnerstag. Die Wahl von Geert Wilders sei viel weniger ein Schock, als es jeder behaupte, erklärte der Politologe aus Amsterdam direkt zu Beginn des Interviews.

Geert Wilders' PVV ist nur eine Abspaltung von Mark Ruttes VVD

Dazu müsse man wissen, so van der Pijl, dass die sogenannte PVV-Partei von Geert Wilders (Partij voor de Vrijheid) im politischen Sinne eigentlich gar keine Partei sei. Es handele sich bei der PVV-Organisation vielmehr um eine persönliche Unterstützerliste für Wilders. In der PVV sei Wilders das einzige Mitglied. Dabei sei das Konzept von vorneherein völlig undemokratisch. Der Politologe stellte fest:

"Mit dem PVV-Listenkonstrukt kann es niemals eine Form von innerparteilicher Demokratie geben."

Einst habe die Wilders-Liste das frühere Minderheitenkabinett des Regierungschefs Mark Rutte unterstützt. Es handele sich bei Wilders' Listenorganisation immer noch eine um eine Art Abspaltung der VVD – "mit einer Extradosis pro-Israel-Haltung", fügte der Politikwissenschafter hinzu.

Der Rechtspopulist Wilders sei vormals auch im Mainstream aufgrund seiner pro-israelischen Haltung bekannt gewesen. Seit 1979 habe die Likud-Partei von Menachem Begin die Idee entwickelt, die USA für Israel einen Krieg "gegen den Islam" führen zu lassen – als "Krieg gegen den Terror". Dies sei dann mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 verwirklicht worden. Im Jahr 2004 kam es zur Abspaltung der Gruppe Wilders von der VVD, wobei er von der israelischen Botschaft in Den Haag sowie anti-islamischen, pro-zionistischen Gruppen in den USA unterstützt worden sei.

Seine stramme anti-muslimische Haltung korreliere mit seiner pro-zionistischen Einstellung. Deshalb würde Wilders auch bei jeder Gelegenheit – und sei sie auch noch so absurd – gegen die Muslime hetzen. Seine wichtigste Kritik in der holländischen "COVID-Krise" lautete: "Muslime nehmen den Niederländern die Klinikplätze weg!" Insofern sei die PVV-Liste weder mit der Le-Pen-Partei in Frankreich noch mit der deutschen AfD vergleichbar.

Warum haben die Holländer Geert Wilders gewählt?

Das liege daran, dass die Einwanderung in den letzten Jahren komplett aus den Fugen gelaufen sei, erläuterte van der Pijl das Wahlergebnis. In dem kleinen Land mit seinen 17 Millionen Einwohnern seien auf die kleine Fläche alleine im Jahr 2022 rund 400.000 neue Migranten dazu gekommen, 61 Prozent mehr als im Jahr 2021. In den niederländischen Großstädten sei die migrantische Bevölkerung bereits in der Mehrheit. Viele Holländer zögen aus den Großstädten in die Provinz.

In dem Stadtteil, in dem van der Pijl im Westen Amsterdams lebe, bildeten Türken und Marokkaner schon seit langem die Bevölkerungsmehrheit. Dort sei das Zusammenleben entspannt. Probleme gebe es mit den neuen Migranten, die größtenteils aus Afrika in die Niederlande kämen. Sie würden ohne Bleibeperspektive in immer größeren Flüchtlingslagern auf dem Land zusammengepfercht. Gleichzeitig betreibe man in Holland keine Rückführungspolitik für Ausländer ohne offiziellen Aufenthaltsstatus.

Mittlerweile gebe es sogar eine Gegenbewegung: In der ersten Hälfte dieses Jahres hätten bereits 89.000 Niederländer ihr Land verlassen.

Geert Wilders ist nur eine weitere Marionette der neoliberalen Herrscherclique

In dieser Situation setzten die Menschen ihre Hoffnungen in Geert Wilders. Als Abspaltung der Rutte-Partei würde Wilders aber den neoliberalen Kurs der Vorgängerregierung beibehalten. Es habe sich bei diesem angeblichen Verfechter holländischer Interessen schon vorher gezeigt, dass er nur als eine weitere Marionette der neoliberalen Profitelite fungiere. So habe Wilders zum Beispiel schon früher zur Vermarktung und zum Kahlschlag der holländischen Waldbestände beigetragen, indem er die Beendigung der öffentlichen Finanzierung des staatlichen Forstschutzes unterstützte. Daraufhin konnte sich die Holzindustrie auf die Bäume stürzen. Keinesfalls schütze Wilders holländische Interessen, erläuterte van der Pijl:

"Geert Wilders ist ein radikaler pro-zionistischer Rechtsliberaler. Die Idee, dass er die Bevölkerung vor dem Markt schützen würde, ist bei Wilders komplett abwesend."

Was wird sich mit Geert Wilders in Holland ändern?

Es werde sich einiges ändern in seinem Land, erklärte der Politologe. Denn weil es mit Geert Wilders keine Partei, sondern nur eine Unterstützerliste gebe, würden ihm kaum kompetente Figuren für Ministerämter und verantwortungsvolle Positionen zur Verfügung stehen. Zudem fehle ihm selbst die notwendige Verwaltungserfahrung. Sein Wahlerfolg führe schließlich zu gesteigerter Inkompetenz in der Politik.

"Es wird also in Holland demnächst auch Baerbocks und Habecks in Ministerämtern geben."

Der emeritierte niederländische Politikwissenschaftler Prof. Dr. Kees van der Pijl engagiert sich für soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Im Jahr 2022 veröffentlichte er das Buch "States of Emergency: Keeping the Global Population in Check". In deutscher Übersetzung erschien 2021 sein Buch "Die belagerte Welt: Corona: Die Mobilisierung der Angst – und wie wir uns daraus befreien können". Auf seinem Twitter-Account berichtet er regelmäßig auch über die Situation in den Niederlanden.

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