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Weil Akzeptanz fehlt: Behörden in der Ukraine drängen Gemeinden zum Übertritt zur "Nationalkirche"

Noch bevor der Patriarch Bartolomeos die versprochene "Erlaubnis" (Thomos) für eine neue ukrainische Kirche gibt, drängen die Lokalbehörden Priester und Gläubige der kanonischen Kirche zum Übertritt. Ein großer Konflikt um Kircheneigentum bahnt sich an.
Weil Akzeptanz fehlt: Behörden in der Ukraine drängen Gemeinden zum Übertritt zur "Nationalkirche"© Facebook, Василий Столяр

Von den 90 Hierarchen der kanonischen Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats sind bislang nur zwei zur sogenannten "Orthodoxen Kirche der Ukraine" (OKU) übergetreten. Diese wurde am 15. Dezember auf einer Versammlung in der Kiewer Sophia-Kathedrale unter dem Vorsitz des Präsidenten Petro Poroschenko gegründet. Einer der Überläufer ist Metropolit Simeon aus Winnitzya. Am Tag der Gründung wurde das wichtigste Gotteshaus des Gebiets Winnitzya Kresto-Vosdwizhenski Sobor von einer Gruppe Unbekannter bereits vorsorglich besetzt, das gleiche geschah auch mit der Kirchenverwaltung.

Damit wurde die zentralukrainische Stadt Winnitzya mit rund 370.000 Einwohnern zum Epizentrum des Konflikts und zu einem Testfall für das ganze Land. Nach dem anfänglichen Übertritt von 75 der insgesamt 250 winnitzker Priester zur neuen Kirche sind nach der Ernennung des neuen kanonischen Mitropolits Warsonofij von Winnitzja 45 wieder zurückgekehrt. Damit wurde das ohnehin ungleiche Verhältnis der Überläufer zu den Verbliebenen verschwindend gering.

Damit bleiben selbst dort, wo das Kirchenoberhaupt des Gebiets mit seinem eigenen Übertritt werben könnte, Priester und Gläubige in ihren kanonischen Gemeinden. Die Ukrainische Orthodoxe Kirche lehnt die Gründung einer neuen "Nationalkirche" entschieden ab. Sie kritisiert auch den Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaeus, für seine kirchenrechtlichen Alleingänge scharf. Seine Autorität in der Orthodoxen Welt hat seit seiner Bekanntgabe, eine neue ukrainische Kirche mitgründen zu wollen, sehr gelitten: Bislang gibt es keine einzige klare Ja-Stimme von einer der 14 Landeskirchen zu diesem Vorhaben.

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Doch genau das macht die Machthaber in Kiew nervös. Wie der Pressesprecher der Winnitzker Diözese, Wladimir Putchkow, am Donnerstag mitteilte, hätten Kreisverwaltungen des Gebiets die Anweisungen erhalten, bis zum neuen Jahr je drei Gemeinden auf den ihnen unterstellten Territorien zur OKU zu überführen, schreibt das ukrainische Portal strana.ua. Außerdem wurden mindestens zwei Abteien behördlicherseits aufgefordert, die von ihnen genutzten Liegenschaften zu räumen, da sie nicht der Kirche gehören.

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Die Gebietsverwaltung Winniztya sowie einige Dorfräte hätten außerdem Formulare zum Übertritt an einige Abteien versendet. Der gleiche Begleittext in allen Fällen (Formulare liegen strana.ua vor) lasse darauf schließen, dass die Kampagne zentral koordiniert ist, so Putchkow.  

Im Gebiet Winnitzya wird die OKU von Gläubigen und Klerus nur minimal unterstützt. Dafür spricht die von mir erwähnte Anweisung für Kreisverwaltungen. Sollten Gemeinden in die "neue Kirche" massenweise übertreten, hätten sie es nicht nötig, die administrative Ressource einzuschalten," sagt Putchkow.

Die Ukrainische Orthodoxe Kirche hat in den letzten Jahren mehrmals über gewaltsame Aktionen und Übernahmen ihres Eigentums vonseiten schismatischer Kirchen berichtet. Die Zahl der feindlichen Übernahmen der Kirchen stieg seit dem Jahr 2014 auf 40.

Derweil hat einer der führenden OKU-Hierarchen, Mitropolit Sorja, in einem Fernsehauftritt die Gewissheit geäußert, dass die Mönche der beiden großen und symbolträchtigen ukrainischen Kloster – das weltberühmte Höhlenkloster und des Mariä-Entschlafens-Kloster – in der nächsten Zeit freiwillig und auf eine ganz "natürliche Art und Weise" übertreten werden. Dies könne in einem oder in drei Jahren oder auch später passieren, "ohne Eile und Gewalt". Das werde dazu führen, dass auch die Heiligtümer, die in diesen Kirchen aufbewahrt werden, zur "ukrainischen Kirche" gehören werden. 

Am 6. Januar reist das am 15. Dezember gewählte OKU-Oberhaupt Epiphanias gemeinsam mit dem Präsidenten Petro Poroschenko und dem Radavorsitzenden Andrei Prubij nach Istanbul, um die "Erlaubnis" (Thomos) für die neue Nationalkirche von dem Patriarchen Bartholomaeus persönlich in Empfang zu nehmen. Das Amt des ukrainischen Präsidenten teilte mit, dass Petro Poroschenko im Anschluss danach eine feierliche Tour mit dem Thomos durch siebzehn ukrainische Gebiete plane. Die Gründung der nationalen Kirche der Ukrainer will er für sich als Erfüllung eines "Jahrtausend-Traums" und als seinen persönlichen Erfolg als Präsident verbuchen. 

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