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"Angeklagt, Ricarda Lang für dick zu halten" – Justizposse um den Blogger Hadmut Danisch

Darf man Ricarda Langs Äußeres zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung machen? Ein Blogger hatte diese Frage entschieden bejaht und bekam daraufhin Post von der Staatsanwaltschaft. Nun wurde ihm auch noch sein Spendenkonto gekündigt. Worum geht es eigentlich?
"Angeklagt, Ricarda Lang für dick zu halten" – Justizposse um den Blogger Hadmut DanischQuelle: www.globallookpress.com © Bernd Thissen/dpa


Gegen den Blogger und Informatiker Hadmut Danisch läuft ein Strafverfahren, weil er die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang beleidigt haben soll. Das erklärte Danisch selbst in einem längeren Blogeintrag am Sonntag. Er sei "angeklagt, Ricarda Lang für dick zu halten". Die von dem Blogger beschriebenen Einzelheiten des Verfahrens lassen sich als speziell bezeichnen.

Danisch, dessen Blog unter der Überschrift "Ansichten eines Informatikers" steht, hatte vor Langs Wahl in einem mittlerweile gelöschten Blogeintrag vom Dezember 2021 vehement argumentiert, dass auch die Figur der Politikerin Gegenstand der politischen Auseinandersetzung sein dürfe. Damit reagierte er auf einen Artikel des Welt-Chefredakteurs Ulf Poschardt, der im Einklang mit dem restlichen Mainstream die angebliche körperliche Herabwürdigung Langs durch rechte Trolle beklagte. Danischs Fazit fiel eindeutig aus:

"Ich lasse es ausdrücklich offen, ob es ratsam und rhetorisch erfolgreich ist, Ricarda Lang als Fetthaufen zu kritisieren.

Aber ich halte es verfassungsrechtlich, politisch, demokratisch, moralisch, meinungsfreiheitlich, gleichmaßstäblich für zulässig und gerechtfertigt es zu tun.

Ich halte es in mehrfacher Hinsicht auch für geboten. Solange es gesellschaftlich von Politik und Presse geduldet, gar goutiert wird, Leute als alte weiße Männer schon dafür zu kritisieren, dass sie das sind, muss es genauso erlaubt sein, fette dumme Frauen dafür zu kritisieren, und umso mehr, wenn sie dafür noch in Posten gehievt werden.

Vor allem aber muss man die Verlogenheit und Doppelmoral der Grünen und der Presse kritisieren und gleiches Recht und gleiche Chancen einfordern können.

Und das heißt dann eben: Hochstapeln wie Annalena Baerbock. Fliegen wie Luisa Neubauer. Fressen wie Ricarda Lang."

Der Eintrag von Dezember 2021 ist auf Danischs Blog nicht mehr abrufbar, aber hier weiterhin zu finden.

Nach Langs Wahl zur Grünen-Vorsitzenden entspann sich dann die von Danisch detailliert dargestellte Justizposse. Kurz nach der Wahl am 30. Januar 2022, so der Blogger in seinem aktuellen Eintrag, sei beim Landeskriminalamt (LKA) Berlin eine Anzeige gegen ihn eingegangen. Diese habe einen Screenshot vom Einstieg seines Blogbeitrags aus dem Dezember 2021 enthalten:

"Bei mir gingen diverse Hinweise ein, dass Ricarda Lang – klein, dick, dumm, hässlich, unverschämt – Vorsitzende der Grünen werden will und dabei erklärt, die Gesellschaft umbauen zu wollen."

Der Rest des Beitrags wurde samt Kontext und Erklärung ausgelassen. Die Anzeige lautete auf Paragraf 188 des Strafgesetzbuches (StGB) – Beleidigung gegen Personen des öffentlichen Lebens. Urheber der Anzeige sei eine "Organisation ohne greifbare Rechtsform" aus Stuttgart gewesen, die einem "grün geführten Ministerium zugeordnet" sei.  Das LKA habe bei Lang per E-Mail gefragt, ob sie Strafanzeige erstatten wolle, und habe den Vorgang nach deren Bestätigung an die Berliner Staatsanwaltschaft weitergeleitet – Zentralstelle für Hasskriminalität.

Die Staatsanwaltschaft habe ihn dann darüber informiert, dass gegen ihn ermittelt werde und ihn aufgefordert, Angaben zu seinen Personalien und zu seinem monatlichen Nettoeinkommen zu machen. Nach einigem Hin und Her und zweifacher Akteneinsicht durch den Blogger, der seinen Wohnsitz in Berlin und auf Zypern hat, habe ihn kürzlich ein Schreiben des Amtsgerichts Tiergarten erreicht, in dem ihm mitgeteilt worden sei, dass die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen ihn beantragt, diesen aber nicht bekommen habe. Für den August sei eine mündliche Verhandlung über den Strafbefehl angesetzt.

Danisch listet eine ganze Reihe von Unregelmäßigkeiten auf, die die juristischen Abläufe wenigstens fragwürdig erscheinen lassen. So habe die Anzeige seine Aussage zu Lang aus dem Kontext gerissen, was selbst strafrechtlich relevant sein könne. Eine Anzeige auf Paragraf 188 sei nicht möglich, weil dieser keinen eigenen Straftatbestand beschreibe, sondern eine Strafanhebung. Gemeint gewesen sei Beleidigung (Paragraf 185), allerdings müsse eine Anzeige wegen Beleidigung begründet werden.

Das LKA habe bei seiner Kommunikation mit Lang übersehen, dass ein Strafantrag Schriftform erfordere (also nicht per Mail erfolgen könne), die Straftaten genau bezeichnen und schließlich eine ladungsfähige Adresse beinhalten müsse. Auch die Sachbearbeiterin im LKA habe es versäumt, den Kontext der Aussage zu Lang zu berücksichtigen, und die Anzeige an den fünf Wörtern "klein, dick, dumm, hässlich, unverschämt" aufgehängt.

Gleiches gelte für die Staatsanwaltschaft. Auch hier sei der Kontext vollständig ignoriert worden, ebenso die fehlende Schriftform der Strafanzeige. Offenbar hat niemand in der Staatsanwaltschaft seinen Blogeintrag gelesen. Danisch bemängelt auch die Forderung der Staatsanwaltschaft nach Angabe seines monatlichen Nettoeinkommens. Die Behörde erwecke den falschen Eindruck, dass man zu dieser Angabe verpflichtet sei. Ziel sei die Beantragung eines Strafbefehls – mit möglichst wenig Arbeitsaufwand.

Der Blogger spricht in diesem Zusammenhang von einer "Grünen Falschbeschuldigungsstraße": Es gebe den Strafbefehl, der zu einer Verurteilung ohne mündliche Verhandlung führen kann. Die Staatsanwaltschaft beantrage wegen irgendeines Sachverhaltes "soundsoviel Tagessätze zu soundsoviel", die Gerichte winkten diese in der Regel ungeprüft durch. Wer nicht Einspruch einlege oder auch nur eine Frist versäume, sei rechtskräftig verurteilt, ohne dass jemand auch nur den Sachverhalt geprüft habe. Das werde politisch ausgenutzt:

"Man erstellt in Stuttgart massenhaft Strafanzeigen, schickt die an die LKA, BKA, Polizeien, wo man eigene Leute in den Staatsanwaltschaften hat, die winken das ungeprüft und ohne Beachtung von geltendem Recht einfach durch, beantragen Strafbefehle, die die Gerichte nicht prüfen, verschicken die, und ein gewisser Teil davon geht immer durch, weil die Leute zu unerfahren sind, sich einen öffentlichen Streit nicht leisten wollen oder können, sich keinen Anwalt leisten können, aus Angst oder weil sie die Frist versäumen."

Hassrede, so Danisch, entstehe nicht in den Sozialen Medien, sondern in den Polizeien und Staatsanwaltschaften, "die mit Massenverfahren auf alles ballern, was der Politik nicht passt, und damit einfach schon statistisch genug "Treffer" landen", um zu behaupten, dass es Hassrede gäbe. Und die Medien machten mit.

Doch die Ungereimtheiten gehen weiter. Dem Schreiben des Gerichts mit dem Entwurf des abgelehnten Strafbefehls konnte Danisch entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft den gegen ihn erhobenen Vorwurf geändert hatte und ihm jetzt andere aus dem Kontext gerissene Aussagen aus dem Artikel zum Vorwurf gemacht wurden. 

Danisch, der der Staatsanwaltschaft zuvor schon seine Sicht der Dinge dargelegt, Beweisanträge gestellt, Strafanzeige wegen Falschaussage gestellt und zweimal Akteneinsicht beantragt hatte, beantragte daraufhin ein drittes Mal Akteneinsicht. Allerdings sei die Akte nach Auskunft des Gerichts nicht mehr auffindbar. Man arbeite an einer Rekonstruktion. Der Blogger vermutet, "dass da irgendwer bei der Staatsanwaltschaft oder den Grünen kalte Füße bekommen und man die Akte verschwinden lassen hat". Schon zuvor seien Teile der Akte ausgetauscht worden.

Parallel zum laufenden Verfahren ereilte Danisch noch ein weiteres Problem. Die Deutsche Bank kündigte ihm vor einigen Wochen ohne Angabe von Gründen sein Spendenkonto, auf das seit Jahren Spenden seiner Leser und Fans eingegangen waren. Diese Kündigung und Nachfragen seiner Leser seien der Anlass gewesen, über die Anzeige und das Verfahren noch vor dessen Abschluss zu berichten.

Der Blogger sieht einen Zusammenhang zwischen den Ermittlungen und der Kündigung des Kontos:

"Im Brief des Amtsgerichts, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ein Strafbefehl gegen mich beantragt, aber abgelehnt wurde, ist im Entwurf eine "Kontostaffel CR-ROM Umsätze Spendenkonto" aufgelistet.

Die Staatsanwaltschaft hatte also offenbar eine Kontoauskunft von der Deutschen Bank angefordert, weil ich – siehe oben – die Auskunft zu meinen Vermögensverhältnissen verweigert hatte, um da irgendeinen Tagessatz zu schätzen."

Er wisse nicht, was passiert sei, weil weder Staatsanwaltschaft noch Bank Auskunft erteilten. Er habe aber die Vermutung, dass die Staatsanwaltschaft den falschen Verdacht erweckt habe, das Konto stünde in Zusammenhang mit Straftaten, um ihn von Einnahmen abzuschneiden.

Er vermute auch, dass es letztlich darum gehen könnte, die Kontodaten auszuspionieren, um auch mit geheimdienstlichen Mitteln jede Opposition und jede Abweichung von der Norm zu erfassen. Konkret nennt Danisch hier die "Gegneranalyse", "ein von der Bundesregierung finanziertes Projekt zur Überwachung von Medien, die nicht das schreiben, was sie nach Meinung der Regierung sollen".

Danischs Zwischenfazit fällt düster aus. Er sei seit über einem Jahr in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, weil er ständig auf Posteingang und Fristen achten müsse. Das habe ihn und seinen Blog schon jetzt erheblich geschädigt: 

"Wohlgemerkt: Ich habe niemanden umgebracht. Ich habe keine Bank ausgeraubt. Weder Frau noch Kind vergewaltigt. Ich habe nichts in Brand gesetzt, nicht mit Drogen oder Waffen gehandelt. Ich habe niemanden überfahren.

Ich habe lediglich gesagt, dass Ricarda Lang dick ist. Und die Frage gestellt, wonach man sie denn sonst beurteilen sollte oder könnte, wenn nicht danach.

Und das reicht in diesem Land inzwischen, dass sich das Landeskriminalamt und mehrere Staatsanwälte auf mich stürzen, über ein Jahr Ermittlungsverfahren, über 200 Seiten Akte. Während die Berliner Polizei im Kreis herum kotzt, weil jeder Kriminelle, jeder Ladendieb, jeder Drogenhändler, Gewalttäter, den sie festnehmen, am gleichen Tag wieder freikommt, weil die Staatsanwaltschaft weder Zeit noch Lust hat."

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