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Russophobe Hexenjagd beendet? Gergijew, Netrebko und Stars des Bolschoi treten wieder weltweit auf

Die Hexenjagd, die die weltpolitische Elite gegen die russische Kultur im Februar eröffnet hatte, geht offenbar ihrem Ende entgegen. Russische Künstler scheinen auf der Weltbühne wieder willkommen zu sein.
Russophobe Hexenjagd beendet? Gergijew, Netrebko und Stars des Bolschoi treten wieder weltweit aufQuelle: Gettyimages.ru © Stuart C. Wilson

Die aus vielen europäischen und amerikanischen Opernhäusern verbannte Operndiva Anna Netrebko kehrt allmählich auf die Bühne zurück. Sie tritt in Paris, Mailand, Verona und Regensburg auf.

Wie der europäische Vertreter und Agent von Anna Netrebko in Russland, der GUS und den baltischen Staaten, Maxim Berin, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur RIA Nowosti feststellt, erlebten russische Künstler von Februar bis Mai einen Einbruch ihrer Karrieren im Ausland.

Ab Juni habe sich die Lage entspannt, und für Herbst und Winter seien bereits mehrere Veranstaltungen mit russischen Künstlern geplant. Einer der ersten von Maxim Berin im Ausland organisierten Auftritte war der des Starpianisten Michail Pletnjow in Düsseldorf. Der Kulturmanager und Chef der Berin Iglesias Holding meinte gegenüber der Nachrichtenagentur:

"Das Publikum behandelt russische Stars mit großer Ehrfurcht, Respekt und Liebe. Die Säle sind fast immer zu 100 Prozent gefüllt. Die Kultur hat Menschen aller Weltanschauungen und Nationalitäten auf verschiedenen Kontinenten immer vereint, sie vereint sie und wird es auch weiterhin tun. Das muss so bleiben, besonders in solch schwierigen Zeiten. Die Menschen brauchen Seelenfrieden und Ausgeglichenheit, und das kann die Kultur bieten."

Nach dem Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine und der Verfolgung des Stardirigenten Waleri Gergijew schien es, als würde er nie wieder die europäische Bühne betreten. Von ihm – wie von vielen anderen – wurde verlangt, sich öffentlich von Russland und der russischen Staatsführung zu distanzieren und das Vorgehen des Landes in der Ukraine zu verurteilen. Er sagte nichts, verlor alle seine Verträge und musste von allen Führungspositionen in europäischen Orchestern und Festivals zurücktreten. Er trat auch von seinem Posten in der Leitung des Verbier-Musikfestivals in der Schweiz zurück, stand aber dennoch auf dem Programm und spielte nun bei der Eröffnung der Festspiele am 15. Juli.

Wie RIA Nowosti berichtete, war das diesjährige Festival in den Schweizer Alpen dem russischen Komponisten Rodion Schtschedrin gewidmet – seine Musik sowie Werke von Dmitri Schostakowitsch wurden am ersten Tag aufgeführt. Der Nachrichtenagentur zufolge standen auf dem Programm viele russische Namen: Denis Matsujew, Michail Pletnjow, Wadim Repin, Jewgeni Kissin, Alexander Malofejew und Nikolai Luganski. In der Oper "Don Giovanni" glänzte die Sopranistin Olga Peretjatko.

Auch der russisch-griechische Stardirigent Teodor Currentzis setzt seine musikalische Karriere fort. Obwohl er kürzlich am russischen Djagilew-Festival teilgenommen hat und obwohl er selbst unter Druck in keiner Weise zu den Ereignissen in der Ukraine und seinen Beziehungen zur russischen Regierung Stellung genommen hat.

Die österreichische Mainstream-Presse – wie Der Standard – beklagte, dass seine "Position zum Putin-Regime zweifelhaft bleibt". Und trotzdem trat Currentzis bei den Salzburger Festspielen im Juli auf. Zusammen mit seinem Orchester. Er eröffnete sogar die Festspiele mit einem grandiosen Konzert. In den offiziellen deutschsprachigen Medien wird er als "umstrittener Star" (BR-Klassik) oder "Der Mann für alle Zweifelsfälle" (Der Standard) bezeichnet - aber man kann offenbar nichts gegen ihn tun. Currentzis dirigiert. Und bekommt Standing Ovations.

Die österreichische Zeitung Der Standard lamentiert:

"Currentzis, der mit seinem Ensemble MusicAeterna in Sankt Petersburg situiert ist, kritisierte 2017 zwar öffentlich den über Regisseur Kirill Serebrennikow verhängten Hausarrest. Zum Ukraine-Krieg jedoch: Schweigen. Currentzis hat auch nicht den offenen Brief unterschrieben, den Dirigent Vladimir Jurowski initiiert hat, um den Angriff zu verurteilen. Gleichzeitig wird sein Orchester von der VTB-Bank unterstützt, die auf der Sanktionenliste steht. Und der russischen Aeterna-Stiftung steht Elwira Nabiullina vor, russische Zentralbankchefin. Auch dass Currentzis in Russland unlängst eine von Gazprom gesponserte Tournee unternahm, macht ihn der Übernähe zum Regime verdächtig."

Aber der Dirigent tut so, als gäbe es all diese Artikel nicht. Er hat gerade sein neues Projekt angekündigt, das internationale Orchester Utopia. Dem Orchester gehören Musiker aus 28 Ländern an, darunter Russen und Ukrainer. Die ersten Konzerte von Utopia sind für Oktober geplant. Zu den ausgewählten Spielstätten gehören die Philharmonie Luxemburg, die Laeiszhalle in Hamburg, das Konzerthaus in Wien und die Berliner Philharmonie.

Der berühmte russische Bass Ildar Abdrasakow wird voraussichtlich im Dezember die neue Saison an der Mailänder Scala mit einer Aufführung von Mussorgskis "Boris Godunow" eröffnen. Der Direktor des Hauses, Dominique Meyer, hat bereits erklärt, dass er "gegen die Hexenjagd" sei und die "Abschaffung der russischen Stücke" nicht unterstütze.

Wie die Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtet, trat Ildar Abdrasakow auch gerade in Zürich und London auf. Die Agentur führt die Frau des Sängers, Marika Abdrasakowa, an:

"Im Juli gab es eine konzertante Aufführung von Verdis Oper 'Attila' in London – es gab einen sehr herzlichen Empfang, ich würde sogar sagen, einen begeisterten Empfang, und die Kritiken waren großartig. Die Stammgäste des Royal Opera House sagten, dass das Stück selten so gut ankommt".

Auch in Wien wird der Boykott russischer Künstler offenbar nicht unterstützt. Die Solistin des Sankt Petersburger Michailowski-Theaters, Mezzosopranistin Wasilisa Berschanskaja wird auf der Bühne der Wiener Staatsoper bis März des Jahres 2023 zu sehen sein. Ende Juli gab sie auch ihr erfolgreiches Debüt in der Arena di Verona in Italien.

Aida Garifullina, die nach ihrem Auftritt im März auf der Bühne des Bolschoi-Theaters einen Teil ihrer Verträge verloren hatte, singt dennoch wieder in Europa. Ende Juli trat sie bei den Münchner Opernfestspielen auf und stand an der Berliner Staatsoper in Puccinis "Turandot" auf der Bühne.

Außerdem glänzte der Opernstar am 2. August in einem großen Open-Air-Solokonzert in Budapest auf, berichtete die Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Nachdem in den letzten Monaten zahlreiche Repressionen gegen russische Künstler in den Vereinigten Staaten bekannt wurden, überrascht es, wenn dort jemand mit einer Auszeichnung geehrt wird. Zum Beispiel, russische Pianistin Anna Genuschene: Sie wurde im Juni in den USA mit der Silbermedaille des Van Cliburn-Wettbewerbs ausgezeichnet, schreibt RIA Nowosti.

Und schließlich haben gleich zwei russische Künstler Einladungen von amerikanischen Akademien erhalten. Wie die Nachrichtenagentur TASS Ende Juni berichtete, hat die American Academy of Motion Picture Arts and Sciences den russischen Animationsregisseur Anton Djakow in ihre Reihen eingeladen. Djakow war in diesem Jahr mit seinem Animationsfilm "Boxballet" für den Oscar nominiert, konnte aber nicht zur feierlichen Zeremonie fliegen, weil die amerikanische Botschaft ihm kein Visum für die Einreise erteilt hatte.

Der Nachrichtenagentur RIA Nowosti zufolge, hat der Gitarrenvirtuose Roman Miroschnitschenko seine Aufnahme in die US-amerikanische Academy of Recording Arts and Sciences, die die Grammy Awards verleiht, ebenfalls bekannt gegeben. Nun wird er selbst Künstler für die hohe Auszeichnung nominieren dürfen.

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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.