International

"Wir sind keine Vasallen der USA": Experte erklärt, warum Indien sich nicht gegen Russland stellt

Langjährige Freundschaft mit Russland, unabhängige Position und Ablehnung der "doppelzüngigen Diplomatie": Ein indischer Experte erklärt der "Wiener Zeitung", warum sich Indien in der Ukraine-Krise nicht auf die Seite des westlichen Blocks geschlagen hat.
"Wir sind keine Vasallen der USA": Experte erklärt, warum Indien sich nicht gegen Russland stelltQuelle: Legion-media.ru © Sanjeev Verma Hindustan Times

Warum unterhält Indien – trotz des nicht geringen Drucks seitens der USA und der westlichen Gemeinschaft – weiterhin gute Beziehungen zu Russland, ohne dessen Vorgehen in der Ukraine zu verurteilen oder Sanktionen wie die der EU zu verhängen? Die Antwort auf diese Frage liefert der Leitende Redakteur der indischen Wochenzeitung Open, der Schriftsteller, Journalist und politische Experte Ullekh N.P. in einem Gastbeitrag für die österreichischen Wiener Zeitung am 31. August.

Wie er betont, gebe es auch in Indien jene, die "dem Tenor in westlichen Medien zustimmen" – es sei jedoch "eine Minderheit, selbst unter den Intellektuellen". "Die Mehrheit spricht von einem Bruderkrieg in der Ukraine und scheint sich darüber nicht mehr Sorgen zu machen als über den Krieg im Jemen. Sie ist mehr mit der Haltung Chinas zu diesem Krieg beschäftigt als mit dem Krieg selbst", so der Experte. Und er erklärt auch, warum:

"Die Inder sind sich bewusst, dass moderne Kriege nicht von Russland erfunden wurden. Die Welt ist voller Kriege und Bürgerkriege. Als sich die USA voriges Jahr aus Afghanistan, in Indiens Nachbarschaft, zurückzogen, gab es eine neue humanitäre und politische Krise, Chaos und Blutvergießen. Indien spürte die Erschütterungen durch eine Flüchtlingswelle. Worum ging es in diesem Krieg? Was hatten die US-geführten NATO-Truppen nach 20 Jahren Besatzung erreicht? Und hatten die NATO-Truppen im Irak nach dem Einmarsch unter Berufung auf Massenvernichtungswaffen, die es nicht gab, eine Demokratie aufgebaut? Solche Fragen bewegten die Menschen in Indien."

Der Krieg um Öl, den die USA im Nahen Osten entfesselt und genährt haben, habe das gesamte Gebiet "zu einem Pulverfass gemacht", meint der Journalist und fügt hinzu:

"Wenn Kriege schlecht sind, dann sind Kriege, die unter dem falschen Vorwand der Errichtung einer Demokratie geführt werden, noch schlimmer und teuflisch."

Ullekh N.P. verrät, wie der "durchschnittliche Inder" tickt – denn der "durchschnittliche Inder" unterstütze voll und ganz die Haltung der indischen Regierung in der Ukraine-Krise:

"Der durchschnittliche Inder stellt die gleichen Fragen wie die Experten: Würden die USA einen chinesischen Luftwaffenstützpunkt in Mexiko tolerieren? Wenn sie die Ukraine in der NATO haben wollten, warum diese lange Verzögerung? Benutzen Sie die Ukraine womöglich als Schachfigur, um Russland auszubluten? Warum folgen die Länder in Europa den USA so widerspruchslos? Das sind die typischen Fragen, die in Indien in Seminarräumen und in Sozialen Medien gestellt werden."

Indien habe nicht vor, die Debatten um die Ukraine "auf eine Frage der Moral reduzieren", so der Experte. "Unsere Position ist daher eindeutig: So wie der Westen nicht die Moral seines diplomatischen Verbündeten misst, so tut es auch Indien nicht", sagt er. Und stellt unverblümt fest:

"Außerdem, wenn die USA jemals dachten, sie könnten Indien Bedingungen diktieren oder es davon abbringen, seine Beziehungen zu Russland fortzusetzen, lautet unsere Antwort, dass wir kein Vasallenstaat sind. Die USA können nicht erwarten, dass Indien ihre Feinde als seine Feinde betrachtet. Wir haben unsere eigenen strategischen Interessen, genauso wie sie ihre. Für Indien sind die militärischen Beziehungen zu Russland von entscheidender Bedeutung, da die Beziehung viele Jahrzehnte alt ist".

Russland habe Indien in der Vergangenheit oftmals kräftig unterstützt – nun würde auch Indien diesen "Freund und Mentor" nicht "im Stich lassen".

Die Öffentlichkeit in Indien hat jedoch viele Fragen an die USA, wie der Experte zu berichten weiß:

"In Indien versteht man nicht, warum die USA nicht genug tun, um den Ukraine-Krieg zu stoppen, der doch nicht in ihrem Interesse sein kann, weil er ihre Aufmerksamkeit von ihrem größten Feind China ablenkt, einem Gegner, den die USA und Indien gemeinsam haben. Stattdessen liefert die Regierung in Washington weiterhin Waffen an die ukrainische Armee, ungeachtet ziviler Opfer. Der Krieg in der Ukraine hat sich für Russland von einem erwarteten Sprint zu einem Ultramarathon entwickelt. Indien ist gegen den Krieg. Und Indien ist auch gegen doppelzüngige Diplomatie."

Mehr zum Thema - Lawrow: "Russisch-indische Beziehungen auf dem höchsten Stand seit der Unabhängigkeit"

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.