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Wollen nicht für Selenskij oder die NATO kämpfen – Ukrainische Soldaten ergeben sich immer öfter

Die Intensivierung der Kämpfe im Rahmen von Kiews Offensive sorgt für erhöhte Zahlen von ukrainischen Soldaten, die nicht an "menschlichen Angriffswellen" teilnehmen wollen und sich ergeben. Ihre Zahl könnte steigen, denn nicht alle ukrainische Soldaten sympathisieren mit dem Kiewer Regime.
Wollen nicht für Selenskij oder die NATO kämpfen – Ukrainische Soldaten ergeben sich immer öfterQuelle: Sputnik © Konstantin Michaltschewski

Von Jewgeni Posdnjakow

Die Ukraine teilt ihre Kriegsgefangenen in Kategorien nach Priorität beim Austausch gegen russische Gefangene ein. Dies berichtete die Nachrichtenagentur RIA Nowosti unter Verweis auf den Leiter des "Zentrums für Wiederherstellung des Friedens" des Ministeriums für Reintegration der Ukraine Alexander Smirnow an den Sekretär des Koordinationsstabs für Fragen der Behandlung von Kriegsgefangenen Dmitri Usow.

Laut dem Schreiben sollen sich die Unterhändler in erster Linie um eine Rückkehr von kampffähigen Soldaten und Offizieren der Asow-Brigade bemühen. Danach haben Offiziere unterschiedlicher Verbände Vorrang. An dritter Stelle in der Liste sind Mannschaften und Unteroffiziere verzeichnet, zuletzt kommen verwundete ukrainische Militärangehörige, die aus Gesundheitsgründen dienstuntauglich sind.

Wie die Agentur anmerkte, hatten zuvor ukrainische und westliche Medien mehrmals einen erheblichen Personalmangel beim ukrainischen Militär wegen hoher Verluste gemeldet, weswegen in ukrainischen Dörfern und Städten Razzien auf Männer im wehrfähigen Alter stattfinden. Diese Angaben wurden auch von ukrainischen Kriegsgefangenen bestätigt.

Eine solch zynische Behandlung eigener Soldaten wird auch auf dem Schlachtfeld sichtbar. Am Montag hatte sich der Held der Russischen Föderation, Kommandant der Panzerkompanie der Marineinfanteriebrigade der russischen Pazifikflotte, Hauptmann Ruslan Kurbanow, an das ukrainische Militär gewendet, das einen Kameraden am Ortsrand von Nowodonezkoje verließ. Seine Videobotschaft wurde im Telegramkanal des russischen Verteidigungsministeriums veröffentlicht.

Der Hauptmann betonte, dass ukrainische Militärs nach einer Niederlage bei Nowodonezkoje nicht nur ihre Technik, sondern auch eigene Kameraden im Stich ließen. Kurbanow zeigte einen ukrainischen Soldaten, der drei Tage am Ortsrand von Nowodonezkoje verbrachte, ohne von den eigenen Mitstreitern abgeholt zu werden und Hilfe von den russischen Soldaten erhielt.

Indessen bemerkte Russlands Präsident Wladimir Putin im geschlossenen Teil seiner Konferenz mit Kriegsberichterstattern, dass seine Angaben über hohe ukrainische Verluste bei der Gegenoffensive in der Ukraine "in Privatgesprächen" bestätigt werden. Zuvor erklärte er, dass Verluste der ukrainischen Seite sehr groß seien und sogar in einem Verhältnis von über eins zu zehn im Vergleich zu russischen Streitkräften stehen würden.

Experten zufolge führen das absolut fahrlässige Verhältnis der ukrainischen Führung zu eigenen Militärangehörigen und schreckliche Verluste an der Front dazu, dass immer mehr Soldaten wünschen, sich an die russischen Streitkräfte zu ergeben. Dies berichtete der Vorsitzende der Bewegung "Wir sind zusammen mit Russland" Wladimir Rogow. Nach seinen Angaben werde es ukrainischen Militärangehörigen zunehmend bewusst, dass sie "zur Schlachtbank geführt werden".

In diesem Zusammenhang kommt die Frage auf, wie die russischen Streitkräfte erreichen, dass sich mehr ukrainische Soldaten ergeben. Nach Meinung des Kiewer Politologen Wladimir Skatschko sei dieses Ziel über eine Kombinierung von militärischen und politischen Instrumenten erreichbar. "Erstens sollen wir den Kampf entschlossener führen. Dies wird einen psychologischen Bruch in den gegnerischen Reihen bewirken", sagte er.

"Zweitens kann der durch militärische Mittel erreichte Effekt durch korrekte Informationsarbeit verstärkt werden. Die Demonstration des 'Schaufensters', in das sich Russlands neue Regionen verwandeln, hilft dabei nicht. Die ukrainische Propaganda kann immer noch unseren Bemühungen in diesem Bereich opponieren", bemerkte er.

"Deswegen müssen wir uns direkt an ukrainische Soldaten wenden und die Fragen ansprechen, die sie persönlich betreffen. Erstens die Garantie des Lebens. Zweitens die Garantie einer Amnestie, wenn der Soldat nicht an Kriegsverbrechen teilnahm. Drittens das Recht der Wahl, in Russland zu bleiben oder nach dem Ende des Konflikts in die Ukraine zurückzukehren", erklärte der Experte.

"Das müssen alle gegnerischen Soldaten wissen. Eine solche Entscheidung wird Soldatenleben zu beiden Seiten der Frontlinie retten. Ferner muss die Propagandaarbeit in zwei Sprachen – Russisch und Ukrainisch – geführt werden. In den Reihen des ukrainischen Militärs gibt es viele belogene und verwirrte Jungs, es ist sehr wichtig, mit ihnen im Informationsraum zu arbeiten", betonte Skatschko.

Eine andere Ansicht vertritt der Kiewer Politologe Wassili Stojakin. Nach seiner Meinung sei es gegenwärtig unmöglich zu erreichen, dass sich mehr ukrainische Soldaten ergeben. "Während sie in menschlichen Wellen in den Angriff getrieben werden, sind sie bereit, die Waffen niederzulegen. Doch Entscheidungen über solche Angriffe haben einen lokalen und keinen Massencharakter. Deswegen kann nur eine neue große Offensive der russischen Armee die Lage ändern", fügte er hinzu. 

"Es ist wichtig, zu bedenken, dass sich die ukrainischen Soldaten in einem geschlossenen Informationsraum befinden, die Meldungen russischer Medien gehen an ihnen vorbei. Andererseits wird an sie der Gedanke eines baldigen ukrainischen Sieges herangetragen, deswegen ist die Frage einer Aufgabe für die meisten ukrainischen Soldaten nicht relevant", vermutete Stojakin.

"Insgesamt ist es sehr schwierig, sich zu ergeben. Um diese Entscheidung zu treffen, muss sich ein Mensch psychologisch vorbereiten. Darüber hinaus müssen sie sich der Kontrolle der ukrainischen Führung entziehen. Einer der Hauptgründe, warum sich ukrainische Soldaten im Gebiet Saporoschje ergeben, ist die Schwächung der Kontrolle der ukrainischen Militärführung über sie", sagte die Menschenrechtlerin Larissa Schessler, Vorsitzende der Union der politischen Emigranten und politischen Gefangenen der Ukraine.

Ihrer Meinung nach seien viele Angehörige des ukrainischen Militärs bereit, sich zu ergeben. Besonders gelte es für die Sympathisanten Russlands sowie für Zwangsrekrutierte. "Sie wollen nicht für Selenskij oder die NATO kämpfen, doch die Furcht vor dem Unbekannten lähmt diese Jungs. Es ist wichtig, an sie die Wahrheit heranzutragen, dass Russland ihnen keinen Schaden zufügen wird, wenn sie die Waffen freiwillig strecken", betonte die Expertin.

"Diese Jungs müssen von uns aufgenommen werden. In der Zukunft werden sie in die befreiten Gebiete zurückkehren und sie wiederaufbauen müssen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dort ihre Heimat ist. Deswegen benötigen wir eine juristisch reibungslose Prozedur der Amnestierung", erklärte sie.

Die Menschenrechtlerin sprach sich gegen jene aus, die eine solche Prozedur mit der Begründung ablehnen, dass damit Saboteure nach Russland gelangen könnten. "Wir haben eine reiche Erfahrung von Antiterrorkampagnen im Nordkaukasus. Und heute, im Zeitalter des Internets und der sozialen Netzwerke, wird es nicht besonders schwierig sein, potenzielle Saboteure in unserer Gefangenschaft ausfindig zu machen", sagte Schessler.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.

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