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Streumunition: Die nächste Wunderwaffe – die den Westen enttäuschen wird

Die in dieser Analyse beschriebene Abfolge der Ereignisse lässt den Schluss zu, dass sich der Westen darauf vorbereitet, Kiews Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit Russland bis spätestens Ende des Jahres zuzulassen.
Streumunition: Die nächste Wunderwaffe – die den Westen enttäuschen wirdQuelle: AFP © US Department of Defense

Von Andrew Korybko

Der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, schätzte zutreffend ein, dass die Entscheidung seines Gastgebers, Streumunition in die Ukraine zu schicken, "eine Geste der Verzweiflung" sei, nachdem die von der NATO unterstützte Gegenoffensive Kiews gescheitert war, um vor dem bevorstehenden Gipfel dieses Blocks nächste Woche größere Gewinne zu erzielen. Diese Schlussfolgerung leitet sich aus drei zusammenhängenden Entwicklungen ab, die sich am selben Tag ereigneten und die alle keinen Zweifel daran lassen, dass es sich um einen letzten verzweifelten Effekt der Kriegstreiber Washingtons handelt.

In einem Interview, das am vergangenen Sonntag ausgestrahlt wurde, sagte Joe Biden gegenüber Fareed Zakaria von CNN: "Den Ukrainern geht die Munition aus. Dies ist ein Krieg, bei dem vor allem die Munition zentral ist. Den Ukrainern geht die Munition aus, während wir nur noch wenig davon vorrätig haben." Selenskij selbst gab bereits Ende März zu, nicht genügend Munition zur Verfügung zu haben, aber westliche "Experten" und Online-Trolle unterdrückten seine Aussage, da sie ihrem Narrativ zuwiderlief. Doch jetzt ist es unmöglich, diesen Fakt zu ignorieren, nachdem kein anderer als Joe Biden selbst darauf aufmerksam gemacht hat.

Die zweite Entwicklung bestand darin, dass der Unterstaatssekretär für Verteidigungspolitik, Colin Kahl, zugeben musste, dass "die ukrainische Gegenoffensive langsamer voranschreitet als erwartet". Zusammengenommen beweisen diese beiden Aussagen aus maßgeblichem Mund, dass NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bereits Mitte Februar recht hatte, als er den Stellvertreterkrieg seiner NATO gegen Russland in der Ukraine als einen "Wettlauf der Logistik" und einen "Zermürbungskrieg" bezeichnete. Wie man sehen kann, gehen die Vorräte der Allianz rapide zur Neige, ohne dass die Ukraine auf dem Schlachtfeld Fortschritte erzielen kann.

Und schließlich teilte die Sprecherin des russischen Außenministeriums auf Telegram ein Video, in dem die ehemalige Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, zu sehen ist, während sie den angeblichen Einsatz von Streumunition durch Russland im vergangenen Jahr als "Kriegsverbrechen" bezeichnete – was wiederum den Grad der Verzweiflung der USA bestätigt, auf einmal dieselbe Art von Waffen an die Ukraine zu liefern. Wie im Fall der HIMARS, den Bradley-Infanterie-Kampfwagen und mehreren anderen westlichen Systemen, die seit dem 24. Februar 2022 an die Ukraine geliefert wurden, sind Streumunition die neueste Wunderwaffe, die dazu verdammt sein wird, den Westen erneut zu enttäuschen.

Präsident Putin stellte vergangenen Monat bei einem Treffen mit Kriegsberichterstattern fest, dass der Westen seine Munitionslager leer gefegt habe, weshalb sich Großbritannien für die Lieferung von Munition mit abgereichertem Uran entschied, weil dies die einfachste Option sei und weil die Kosten für die Produktion konventioneller Munition immer höher werden. Zudem fügte er bei einer anderen Gelegenheit hinzu: "Wenn die USA den derzeitigen Konflikt wirklich durch Verhandlungen beenden wollen, müssen sie nur eine einzige Entscheidung treffen, nämlich die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die Ukraine einzustellen. Das ist alles."

Dieser letztgenannte Punkt zeigt das Interesse von Präsident Putin, den Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland in der Ukraine mit friedlichen Mitteln und durch Kompromisse beizulegen, solange die nationalen Sicherheitsinteressen seines Landes gewahrt bleiben. Der russische Außenminister Sergei Lawrow bekräftigte daraufhin diesen Vorschlag, gefolgt vom ehemaligen Präsidenten und jetzigen Stellvertreter des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, und zuletzt auch vom Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Fast ein halbes Jahr, nachdem Stoltenberg den Stellvertreterkrieg seiner Allianz gegen Russland als einen "Wettlauf der Logistik" und einen "Zermürbungskrieg" bezeichnete, versäumte er es auf auffällige Weise, in seiner Ansprache vom vergangenen Freitag, Kiew dasselbe Tempo, dasselbe Ausmaß und denselben Umfang der Waffenlieferungen wie bisher zu versprechen. Am Tag zuvor berichtete NBC, unter Berufung auf ungenannte Quellen, dass Lawrow sich während seines Aufenthalts in New York im vergangenen April, heimlich mit einer Gruppe ehemaliger hochrangiger nationaler Sicherheitsberater der USA getroffen habe, um künftige Friedensgespräche zu erörtern.

Noch am Donnerstag davor sagte der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko während einer Pressekonferenz voraus, dass die Friedensgespräche im Herbst wieder aufgenommen werden könnten. Ihm zufolge könnten diese, wenn nicht im September, auch etwas später stattfinden. Er wolle keine Details dazu nennen, doch Frankreich und Deutschland hätten damit begonnen, dies zu thematisieren. 

In diesem diplomatischen Kontext wäre es nicht falsch zu erwähnen, was der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am vergangenen Freitag während einer Pressekonferenz mit Selenskij sagte. Erdoğan sagte nicht nur, dass die Türkei die größten Anstrengungen unternommen habe, um den NATO-Russland-Stellvertreterkrieg in der Ukraine zu beenden, sondern er sagte auch, dass er erwarte, irgendwann im nächsten Monat Präsident Putin zu empfangen, was jedoch vom Kreml noch nicht bestätigt wurde. Wenn man bedenkt, dass Istanbul Gastgeber des Friedensprozesses vom Frühjahr 2022 war, der zu einem unterzeichneten Vertragsentwurf führte, der den Konflikt hätte beenden können, wenn er nicht von der angloamerikanischen Achse sabotiert worden wäre, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Friedensgespräche auf der Tagesordnung stehen werden, falls Putins Besuch in der Türkei stattfinden sollte.

Der bisher beschriebene Ablauf der Ereignisse lässt den Schluss zu, dass sich der Westen darauf vorbereitet, Kiews Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit Russland bis Ende des Jahres zu genehmigen, sobald die von der NATO unterstützte Gegenoffensive aufgrund des Wintereinbruchs eingestellt werden muss. Bis dahin schicken sie jedoch aus ihrer Verzweiflung heraus weitere Wunderwaffen in der Hoffnung, dass diese Waffen Russland schwächen und ihrer Seite dadurch bei diesen scheinbar unvermeidlichen Gesprächen eine bessere Verhandlungsposition verschaffen können.

Der Westen ist jedoch dazu verurteilt, eine weitere Enttäuschung zu kassieren, da Präzedenzfälle wie die Befreiung von Soledar Mitte Januar zeigen, dass keine spezifische Bewaffnung oder eine Kombination davon die militärisch-strategische Dynamik des "Wettlaufs der Logistik" und des "Zermürbungskriegs", der sich allmählich zugunsten Russlands entwickelt, drastisch verändern kann. 

Der Lieferung von Streumunition an die Ukraine wird mit Sicherheit nur zu noch mehr Blutvergießen auf beiden Seiten führen, obwohl dieses Ergebnis auf zynische Weise auch den Interessen der Kriegstreiber in Washington dienen wird.

Aus dem Englischen

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.

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