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Haltet den Dieb? USA sehen Gefahr in russischen und chinesischen Waffen mit künstlicher Intelligenz

Russland und China könnten Waffen auf Grundlage künstlicher Intelligenz gegen US-Streitkräfte einsetzen, so ein Bericht für den US-Kongress. Solche Behauptungen sind den USA jedoch nur Anlass dafür, selbst an solchen Waffen zu forschen, entgegnen russische Militärexperten.
Haltet den Dieb? USA sehen Gefahr in russischen und chinesischen Waffen mit künstlicher IntelligenzQuelle: Sputnik © Sony Pictures Releasing CIS

Analytiker des Congressional Research Service, des US-Gegenstücks des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, befinden, dass Russland und China im militärischen Einsatz von KI-Technologien fortgeschritten sind und Waffen auf Grundlage von künstlicher Intelligenz gegen das US-Militär einsetzen könnten. Das geht aus einem Bericht des CRS hervor, den dieser unlängst an den Kongress herantrug, und in welchem der US-Regierung geraten wird, sich nach Gegenmaßnahmen umzusehen. So wird im selben Dokument die US-Regierung aufgerufen, US-Bodentruppen flächendeckend mit autonomen unbemannten Systemen ("robotic autonomous systems", RAS) auszustatten – bis hin zur Etablierung einer neuen Struktur oder Waffengattung in den US-Streitkräften.

Andere Staaten, besonders ebenbürtige Mitbewerber Russlands und Chinas, arbeiten unter Hochdruck an RAS und KI zu einer ganzen Palette von militärischen Einsatzzwecken, die gegen US-Streitkräfte eingesetzt werden könnten – was Fragen zur möglichen militärischen Antwort der USA aufwirft, einschließlich bewaffneter autonomer Waffensysteme (LAWS, 'lethal autonomous weapon systems', auf Deutsch etwa: letale/tödliche autonome Waffensysteme)", besagt das öffentlich zugängliche Dokument, mit dem RT sich vertraut gemacht hat.

Der Bericht des CRS besagt, dass seit dem Jahr 2001 das Augenmerk der USA vor allem auf Terrorbekämpfung und Anti-Regierungskräften lag. Jedoch sei vom Jahr 2018 an die wichtigste Bedrohung für die Sicherheit und den Wohlstand der USA der "wiederbelebte strategische Wettbewerb".

"Es wird zunehmend klar, dass China und Russland die Welt nach ihrem autoritären Modell umgestalten – und ein Vetorecht über Beschlüsse anderer Länder in den Bereichen Wirtschaft, Diplomatie und Sicherheit erhalten wollen. Diese strategische Neu-Fokussierung auf einen Großmächte-Wettbewerb hat eine erneute Akzentuierung der Vorbereitung zu einem konventionellen Krieg zu Lande verursacht – bezüglich des Trainings wie auch der Aufrüstung, was ein erhöhtes Interesse der Landstreitkräfte an RAS und KI bedingen könnte", so der Bericht wörtlich.

Dorn im Auge der US-Eliten – neue Raketen und Drohnen Russlands und Chinas

Woher der Wind wirklich weht, wurde jedoch spätestens mit einer anderen aktuellen Veröffentlichung deutlich: Die US-DenkfabrikCenter for Strategic and Budgetary Assessments schrieb in ihrem Bericht vom 3. Oktober 2018, die USA seien zwar lange Zeit mit Schutz vor ballistischen Raketen beschäftigt, hätten jedoch russische und chinesische Raketen anderer Bauarten sowie Drohnen vernachlässigt. Als Bedrohungen für US-Stützpunkte sehen die Analytiker vor allem die russischen Marschflugkörper "Iskander" und "Kinschal", zitiert The National Interest.

Die nicht ganz autonomen Roboter der Streitkräfte Russlands

Die Entwicklung exotisch anmutender Waffensysteme wurde vom US-Verteidigungsministerium noch im Jahr 2016 angekündigt – das Budget des Pentagon für das Jahr darauf umfasste allein für Versuche an Drohnenschwärmen und der Integration von Menschen und künstlicher Intelligenz in eine Kampfeinheit drei Milliarden Dollar; die Arbeit an KIs selbst war in diesem Budget mit immerhin 1,7 Milliarden US-Dollar bedacht.

Der damalige stellvertretende Verteidigungsminister der USA, Robert Work, musste als Anlass für die geplante Milliardeninvestition in die Rüstungsforschung noch Behauptungen aus dem Bereich der bestenfalls fernen Zukunftsmusik aufstellen: In Russland forsche man zu militärischen Zwecken zum Beispiel an "enhanced humans" – in einschlägigen Werken der Science Fiction ein Oberbegriff für genetisch modifizierte Menschen und Menschen mit irgendwelchen nutzbringenden Implantaten.

Heute kann man zum Melken des US-amerikanischen Steuerzahler-Geldbeutels aber wenigstens auf ein Steinchen Wahrheit bauen. So werden vom Congressional Research Service die russischen unbemannten Gefechtslandfahrzeuge "Wichr" (auf Deutsch: "Wirbelsturm") und Uran-9 erwähnt. Die Autoren des Berichtes weisen ferner auf den Plan der Kommission der Russischen Föderation für Rüstungsindustrie hin, gemäß welchem zum Jahre 2030 30 Prozent aller militärischen Land-, Luft- und Seefahrzeuge unbemannt sein müssen. Das ist richtig. Richtig ist auch, dass "Wichr" und "Uran-9" beide bewaffnet sind. Das robotertechnische System "Uran-9" ist neben der Aufklärung zur Feuerunterstützung der Truppen auf dem Gefechtsfeld und zur Lösung von Gefechtsaufgaben in besonders gefährlichen Bedingungen bestimmt und trägt daher die 30-Millimeter-Maschinenkanone 2A72, vier Panzerabwehr-Lenkflugkörper "Ataka" und "Schmel"-Raketenwerfer mit einem thermobarischen Sprengkopf.

Das größere Aufklärungs- und Gefechtsfahrzeug "Wichr" auf Basis des Schützenpanzers BMP-3 ist mit der Maschinenkanone 2A72, Panzerabwehr-Lenkflugkörpern vom Typ "Kornet" und dem Granat-Maschinengewehr AG-17 ausgerüstet. Mit Maschinengewehren oder Granat-MG sind auch die Bodendrohnen der "Nerechta"-Serie, "Soratnik" (auf Deutsch: "Mitstreiter") und "Nachlebnik" (auf Deutsch: "Kostgänger") ausgestattet; der "Soratnik" kann außerdem Panzerabwehr-Lenkflugkörper tragen. Wahr ist außerdem, dass Russland die Entwicklung der Untersee-Drohne "Sarma" begonnen hat.

Daraus eine Arbeit "unter Hochdruck" an tödlichen autonomen Waffensystemen abzuleiten, ist jedoch ein wenig weit hergeholt. Von allen erwähnten Systemen ist nämlich nur die mittelschwere Bodendrohne "Soratnik" zu einem autonomen Waffeneinsatz fähig – wobei jedoch der ferngesteuerte Betriebsmodus auch für diese Maschine der wichtigste ist. Komplett autonom – zumal für den Einsatz unter Eis ausgelegt, was Kommunikation mit der Außenwelt unmöglich macht – ist die Untersee-Drohne "Sarma". Allerdings ist sie dazu bestimmt, Karten vom arktischen Meeresboden zu erstellen, auf welchen mögliche Gefahrengebiete aufgezeichnet werden sollen. Dazu trägt "Sarma" vielerlei Sensoren – zum Beispiel seismologische, um Gebiete mit Seebeben-Gefahr aufzudecken und zu kartographieren. Nur Waffen trägt das autonome U-Boot nicht. Alle anderen Drohnen bieten dem Operator am Steuerpult höchstens einen halbautomatischen Angriffsmodus an, bei dem er immer den Befehl zum Abfeuern der Waffen gegen das vom Roboter vorausgewählte Ziel geben muss. "Die Systeme "Wichr", "Uran-9" und andere Land- und Luftsysteme sind ferngesteuert. Sie treffen keine selbständigen Entscheidungen zum Einsatz ihrer Waffen – dies tut der Soldat oder Offizier mit entsprechenden Befugnissen. Und falls der Einsatz nicht gerechtfertigt sein sollte, trägt er die Verantwortung dafür", erklärt der Militärexperte Wiktor Murachowski, Chefredakteur der Zeitschrift Arsenal Otetschestwa (Arsenal des Vaterlandes), im Gespräch mit RT.

Haltet den Dieb?

Dem entgegen behaupten die Analytiker des CRS, weder Moskau noch Peking würden die Risiken berücksichtigen, die mit dem Einsatz von Robotern auf dem Schlachtfeld einhergehen. "Russland oder auch China schenken dem ethischen Aspekt eines KI-Einsatzes bei der Kriegsführung keine Beachtung – und dürften auch keine Richtlinien gegen einen aggressiveren Einsatz der KI aufstellen, wie etwa für autonome Waffensysteme", heißt es in deren Bericht an den Kongress. Murachowski setzt dem entgegen: "Wir haben die USA nie unseren Gegner genannt. Diese Idee ist in den Vereinigten Staaten entstanden – dort hat man Russland und China mit dem internationalen Terrorismus gleichgesetzt. Das wird in deren Militärdoktrin, der Doktrin für Nukleareinsätze und anderen Dokumenten erwähnt", betont der Experte. Schließlich hätten die USA die mächtigste Flotte an unbemannten Flugapparaten – einschließlich strategischer –, die in Syrien, Somali, Pakistan und nahe der Grenzen Russlands zum Einsatz kommen.

Daneben habe das US-Verteidigungsministerium in diesem Jahr einen Vertrag über fünf Jahre im Wert von 885 Millionen US-Dollar über die Schaffung und Entwicklung von künstlicher Intelligenz zur effizienten Verarbeitung großer Datenmengen, wie sie bei einem modernen Militär in allen Bereichen anfallen, abgeschlossen. Dieses System soll unter anderem zur Auswertung von Bildern von Drohnen und fest installierten Kameras dienen, auf denen zivile und militärische Fahrzeuge, Gebäude und Personal identifiziert werden sollen.

Rüsten zum Angriff

In ihrem Bericht an den US-Kongress verfechten die CRS-Analytiker die Integration von autonomen Robotersystemen in die Landstreitkräfte der USA – und zwar eine so breit angelegte, dass dafür unter Umständen die Streitkräfte vergleichsweise tiefgreifend umstrukturiert werden müssten. Als Zweck einer solchen Integration geben die Autoren des Berichts zweierlei an.

Schon der erste Zweck ist militärisch, vor allem für ein Angriffsszenario einleuchtend, in welchem man einen getarnten Gegner in der Defensive zum Verlassen seiner geschützten Stellung zwingen will: "RAS und KI eröffnen den Bodentruppen neue mögliche Konzepte militärischer Operationen. Ein mögliches Konzept wäre, 'ein Einsatzgebiet mit kleinen autonomen Systemen zu sättigen, die den Gegner zum Manövrieren zwingen würden – und dieser infolgedessen von verbündeten Kräften entdeckt und unter Beschuss genommen werden könnte'." Bei der Nennung des zweiten Einsatzzwecks nimmt man erst recht kein Blatt mehr vor den Mund: "Ein anderes mögliches operatives Konzept sieht vor, bei erzwungener Zugangsbeschaffung zu einem Gebiet (wie etwa einer Luft- oder Wasserlandung von Bodentruppen) die Effizienz der feindlichen Kapazitäten der A2/AD (Anti-Access/Area Denial, auf Deutsch etwa: Zugangsverweigerung/Gebietssperrung) zu minimieren. Dabei können autonome Systeme zu Lande, zu Wasser und in der Luft eingesetzt werden, die die A2/AD-Systeme des Gegners vor der Landung der US-Landstreitkräfte angreifen sollen."

Nun ist der Gedanke von A2/AD aber an sich ein defensiver, auch wenn er durchaus mit Waffen, zum Beispiel mit Raketen, implementiert wird. Spricht man etwa von Russlands A2/AD-Kapazitäten, so fallen meist im selben Satz Modellbezeichnungen russischer Flugabwehrraketensysteme wie S-300 oder S-400 oder auch Bezeichnungen von Systemen zur elektronischen Kriegsführung. Den US-Analytikern geht es also vorrangig darum, die gegnerischen Mittel der Flug-, Schiffs- und Panzerabwehr und die der elektronischen Kriegsführung auszuschalten, die sonst einen Angriff der US-Bodentruppen auf Russland, China oder andere Länder mit A2/AD-Kapazitäten nach russischem Vorbild erschweren würden. Einen Feldversuch solcher Schwarmangriffe könnten die Drohnenangriffe auf die Stützpunkte Hmeimim  und Tartus in Syrien darstellen.

Diese Sicht teilt auch Alexander Schilin, Leiter des russischen Forschungszentrums Praktischer Gesellschaftlicher Probleme der Nationalen Sicherheit: "Eine angebliche Bedrohung seitens Russland und China dient als Deckungslegende. Damit wird dem Steuerzahler etwas vorgegaukelt. In Wirklichkeit sind es aber die USA, die versuchen werden, sich über den Bereich der künstlichen Intelligenz einen Vorteil zu verschaffen."   

Ohne Rücksicht auf Verluste

Vollständig autonome Systeme mit künstlicher Intelligenz kommen noch nirgends zum Einsatz, erinnert seinerseits Wiktor Murachowski. Doch die Perspektive des Einsatzes solcher Systeme besteht schon in naher Zukunft. Dies könnte tiefgreifende Folgen haben – und birgt große Risiken vor allem für Zivilisten im jeweiligen Einsatzgebiet: "Das Bild des Schlachtfeldes, die Natur des Krieges als solche wird sich wandeln. Niemand weiß, wie Roboter sich unter Gefechtsbedingungen verhalten werden. Dies ist vor allem für diejenigen gefährlich, die solche Waffen einsetzen – und für die Zivilbevölkerung des jeweiligen Landes", betont der Experte. Wer wirklich daran interessiert sein könnte, "unter Hochdruck" autonome KI-gesteuerte bewaffnete Systeme zu entwickeln, sieht man also daran, wer in der Welt die meisten Angriffskriege führt, bei denen die zivile Bevölkerung nicht des eigenen Landes, sondern des Einsatzlandes Risiken und Gefahren ausgesetzt wird – im Irak oder Kosovo zum Beispiel. Entgegen den Behauptungen, mit denen der CRS höhere Ausgaben für militärische KI-Systeme im US-Kongress durchboxt, ist dieses Land eben nicht Russland oder China.

Tür und Tor für Terroristen

Doch auch für die Seite, die vollständig autonome KI-gesteuerte mit Waffen ausgerüstete Roboter militärisch einsetzt, bestehen hohe Risiken. "Wenn der Mensch etwas erfunden hat, das mithilfe von Programmen Krieg führen kann, dann bedeutet das, dass ein anderer Software zur Kontrollübernahme einschleusen – und das Potential des Gegners gegen ihn selbst nutzen kann. Das alles wird das Niveau der Sicherheit auf der Erde senken", prognostiziert Alexander Schilin. Warum dies so ist, liegt klar auf der Hand: Zu einer Übernahme der Kontrolle über feindliche KI-gesteuerte Kampfdrohnen könnte nicht nur ein gegnerischer Staat fähig sein, sondern auch nicht-staatliche Akteure. Programmiert zum Beispiel eine Hacker-Mannschaft einer terroristischen Vereinigung eine bewaffnete, KI-gesteuerte Drohne so um, dass sie gegen Rückholversuche seitens des eigentlichen Besitzers resistent ist, kann diese Drohne, bevor man sie außer Gefecht setzen kann, für immensen Schaden auch an zivilen Einrichtungen sowie für zivile Opfer sorgen.

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