Russland

Was sich mit der Verhängung des Kriegsrechts in Russland ändert – und was nicht

Mit der Verhängung des Kriegsrechts in den Gebieten Cherson und Saporoschje sowie den Volksrepubliken Donezk und Lugansk geht die erste Phase der Speziellen Militäroperation zu Ende. Laut dem Kreml lehnt Kiew jegliche Verhandlungen konsequent ab, deswegen zieht Moskau nun Konsequenzen.
Was sich mit der Verhängung des Kriegsrechts in Russland ändert – und was nichtQuelle: AFP © Sergei ILYIN / SPUTNIK / AFP

Auf einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates am 19. Oktober hat Präsident Wladimir Putin die Einführung des Kriegsrechts in den beiden Volksrepubliken Lugansk und Donezk sowie in den Gebieten Saporoschje und Cherson angeordnet. Formal wird der neue Rechtsstatus bereits einen Tag später in Kraft treten. Zwar ergeben sich daraus vor allem Veränderungen im Alltag der vier Territorien, die kürzlich zu Russland gekommen sind, aber auch das Hinterland ist betroffen.

Die Bestimmungen im Einzelnen

In den vier Frontgebieten werden folgende Regelungen eingeführt:

  • Die öffentliche Ordnung soll verstärkt geschützt werden, wozu auch die Bewachung von militärischen, wichtigen staatlichen und besonderen Einrichtungen gehört;
  • Verbot oder Beschränkung der Ausreise von Bürgern aus der Region;
  • Einführung der Militärzensur für Sendungen und Mitteilungen;
  • Überwachung des Telefonverkehrs;
  • Einbindung der Massenmedien zu Verteidigungszwecken;
  • Bürger und Fahrzeuge können für einen Zeitraum von maximal 30 Tagen festgehalten werden;
  • Durchführung von Leibesvisitationen bei Bürgern, Durchsuchung von deren Hab und Gut, Wohnungen und Fahrzeugen;
  • Verhängung von Ausgangssperren (Verbot für Bürger, sich zu bestimmten Tageszeiten auf der Straße oder an anderen öffentlichen Orten aufzuhalten);
  • Beschlagnahme von für die Verteidigung notwendigen Gütern von Organisationen und Bürgern gegen Bezahlung ihres Wertes;
  • Beteiligung der Bürger an Arbeiten für Verteidigungszwecke, an der Wiederherstellung zerstörter lebenserhaltender Systeme und an der Bekämpfung von Bränden.

Abgestufte Reaktionen

Diese Maßnahmen gelten in den vier genannten Territorien. Ergänzend werden drei weitere Reaktionsstufen eingeführt. Unterhalb und im Unterschied zum Kriegsrecht gilt in acht frontnahen Grenzregionen ein sogenanntes "Mittleres Reaktionsniveau". Dazu zählen die Krim, die Stadt Sewastopol sowie die Gebiete Krasnodar, Belgorod, Brjansk, Woronesch, Kursk und Rostow.

Eine "Erhöhte Alarmstufe" wird in den übrigen Gebieten des Zentralen und Südlichen Föderationskreises verhängt (insgesamt gibt es acht Föderationskreise in der Russischen Föderation, in denen jeweils mehrere Föderationssubjekte zusammengefasst sind). In allen anderen Gebieten der Russischen Föderation gelten bis auf weiteres keine Einschränkungen.

Das bedeutet, dass im weit überwiegenden Teil der Russischen Föderation keine Änderungen nach Verhängung des Kriegsrechts in den vier betroffenen Subjekten zu spüren sein dürften und das Alltagsleben weiter seinen Gang geht.

Präsident Putin hat den Moskauer Bürgermeister Sergei Sobjanin angewiesen, als Leiter der Kommission des Staatsrats die Koordinierung der Arbeit der Regionen zur Verbesserung der Sicherheit zu übernehmen.

Neues Koordinierungsgremium

Die Einführung des Kriegsrechts war jedoch nicht die einzige Maßnahme, mit der Moskau die Militäroperation den aktuellen Erfordernissen anpassen will. Parallel hat Präsident Putin angewiesen, eine sogenannte "Sonderkoordinierungskommission" bei der Regierung einzurichten. Aufgabe dieses Gremiums soll sein, alle Aktivitäten des Militärs besser zu koordinieren. Dazu zählen etwa die Organisation des Nachschubs, verbesserte Fähigkeiten bei Reparatur- und Bauarbeiten, aber auch medizinische und Sanitätsdienste. Aus der Aufzählung der diversen Aufgaben ergibt sich, dass die Produktion von Gütern und deren Bereitstellung für das Militär effizienter gestaltet werden soll. Alle Aktivitäten, die einen Bezug zur Militäroperation haben, wozu neben den ökonomischen Fragen auch soziale und medizinische gehören, sollen von der neuen Kommission einheitlich geregelt werden.

Das Verteidigungs- und Innenministerium werden zu dieser Koordinierung herangezogen, aber auch das Katastrophenschutzministerium, ebenso die verschiedenen Geheimdienste. Manche Kommentatoren sehen in der Einrichtung dieser Sonderkoordinierungskommission eine gewisse Parallele zum "Staatlichen Verteidigungskomitee der UdSSR", das in der Sowjetunion während des Großen Vaterländischen Krieges gebildet wurde, um die Verteidigung des Landes zu koordinieren.

Ebenfalls zum 20. Oktober wurde der Premierminister Michail Mischustin verpflichtet, einen Entwurf für einen Präsidialerlass vorzulegen, nach dem dann der neue Koordinationsrat gebildet werden soll.

Territorialverteidigung

Putin erinnerte daran, dass das Kriegsrecht in den neuen Subjekten bereits vor deren Eingliederung zu Russland in Kraft war und nun im Rahmen der russischen Gesetzgebung formalisiert werden muss. Nach dem Präsidialerlass erhalten die Leiter der jeweiligen Territorien zusätzliche Sicherheitsbefugnisse. Dazu sagte der russische Präsident weiter:

"In den angegliederten Gebieten wird die territoriale Verteidigung eingeführt. [...] Die Führer der Subjekte der Russischen Föderation müssen bereit sein, schnelle und abgewogene Entscheidungen zu treffen; auf allen Ebenen der Regierung ist Konzentration erforderlich."

Manche politischen Beobachter in Russland gehen davon aus, dass die Gouverneure somit zwar unaufdringlich, aber dennoch wirkungsvoll in das Unterstützungssystem für die Streitkräfte und die gesamte Operation eingebunden werden. Ebenso würde auf kommunikativer Ebene jeder Anschein von etwas Außergewöhnlichem vermieden. Vielmehr sollten Front und Hinterland unauffällig miteinander verzahnt werden, was als unvermeidlich für eine drohende und umfassende Konfrontation mit dem Westen angesehen wird.

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