Europa

Ungarischer Parlamentspräsident: "EU schreitet in Richtung des Zerfalls"

Seit Jahren steht Ungarns nationalkonservative Regierung im Kreuzfeuer der ausländischen Kritik – zuletzt wegen umstrittener Ergänzungen des Anti-Pädophilie-Gesetzes. Einer der führenden ungarischen Politiker sieht darin den Ausdruck imperialer Tendenzen, die die EU und den "Westen" erfasse.
Ungarischer Parlamentspräsident: "EU schreitet in Richtung des Zerfalls"Quelle: AFP © Attila Kisbenedek

Ungarn gilt besonders in vielen westeuropäischen EU-Ländern als Bad Boy der Europäischen Union. Zuletzt entbrannte lautstarke Kritik wegen des Verbots von "homosexueller Propaganda". Außerdem wird dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán Autoritarismus vorgeworfen.

In einem ausführlichen Interview erklärte der langjährige ungarische Parlamentspräsident und Mitgründer der regierenden Fidezs-Partei, László Kövér, die Sicht der ungarischen Nationalkonservativen auf den Konflikt. Für Kritik sieht er keinen Grund, sie sei hassgetrieben. Ihm zufolge sei es viel eher die EU, die autoritäre Züge verzeichnet. 

"Als wir 2004 den EU-Beitritt vollzogen, ging es nirgendwo um irgendwelche LGBTQ-Rechte oder darum, dass diese Rechte einen Teil der grundlegenden Menschenrechte ausmachen sollen", sagte er. Die jetzigen LGBTQ-Probleme seien an den Haaren herbeigezogen. 

Das Gespräch mit dem ungarischen Wochenblatt Mandiner, das in deutscher Sprache in der Budapester Zeitung und im Cicero erschien, nutzte der Politveteran vor allem für scharfe Kritik an der EU und Deutschland. Aus seiner Sicht sei die Europäische Union vom liberalen Mainstream so vereinnahmt, dass sogar die kleinste Abweichung von der Norm hart bestraft werde. Insbesondere in Deutschland erinnere die Unterdrückung der Meinungsfreiheit an eine Diktatur. Deutsche Energiepolitik sei irrational und doppelzüngig, Deutschlands internationale Rolle narzisstisch.

"Das Tragische ist, dass die Deutschen auch heute wieder mit dem gleichen blinden Fanatismus zur Sache gehen wie in jenen Zeiten, die sie eigentlich vergessen machen wollten." 

Kövér wies dabei auf die Rolle der Medien hin. Deren Mitarbeiter seien zu drei Vierteln Unterstützer der Grünen. Die Politiker der einst konservativen CDU und CSU hätten Angst, nicht zur Zielscheibe der Medien zu werden und verraten einstige Prinzipen. "So viel zur Medienvielfalt im Westen!"

Die EU sieht der Politiker auf dem absteigenden Ast. Er verglich sie mit dem untergegangenen Römischen Reich, der Habsburger Monarchie und der UdSSR. "Wir Ungarn mussten vor kaum einhundert Jahren erleben und erleiden, wie es ist, wenn die Elite eines Imperiums den Bezug zur Realität vollkommen verliert."

"Auf dem letzten Gipfel hat die informelle Führungsriege der EU Schritte in Richtung des Zerfalls unternommen", sagte er. Ungarn soll aber in der EU bleiben, "bis sie zusammenbricht."

"Heute aber habe ich das Gefühl, dass die Europäische Union in ihrer jetzigen Form ziemlich sicher aufhören wird zu existieren. Sie entwickelt sich in Wirtschaft, Gesellschaft, Geist und Moral einfach nicht nachhaltig", sagte der Politiker.

Die nunmehr 17-jährige Mitgliedschaft in der EU sei aber im ungarischen nationalen Interesse gewesen. Sie habe trotz aller Kontroverse ab 2010 Ungarn eines der erfolgreichsten Jahrzehnte seiner Geschichte beschert.  

Dennoch nahm Kövér in dem Interview bei seiner Einschätzung westlicher Politik kein Blatt vor dem Mund. Diese habe die Region Ost-Mitteleuropa immer nur als Beutegebiet angesehen – mit Ausnahme des Königreichs Ungarns. "Die derzeitige Entwicklung zeigt zunehmend Züge einer Annexion Mittel- und Osteuropas. Es werde versucht, statt eines wiedervereinigten Europas ein "neues atlantisches Imperium" aufzuziehen. Die Antwort der Wähler auf diese Entwicklung könnte in vielen EU-Staaten die Renaissance der Rechten sein – vor allem in Frankreich und Italien.

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