Meinung

In den Fußstapfen der Brutkastenlüge? Tagesschau spannt Kinder für Propaganda ein

Die 12-jährige Ella durfte bei den Tagesthemen Putin wegen Missachtung der Kinderrechte anprangern. Laut Medienexpertise der Publikumskonferenz spannt die ARD damit ein Kind für Propagandazwecke in geopolitische Spielchen ein, obwohl nachweislich andere Verstöße gegen die Kinderrechte von Ella unerwähnt bleiben.
In den Fußstapfen der Brutkastenlüge? Tagesschau spannt Kinder für Propaganda ein© Screenshot Tageschau

von Maren Müller

(Anmerkung der Redaktion: Auf der Webseite des Vereins https://forum.publikumskonferenz.de/ wurde eine Programmbeschwerde gegen die Tagesthemen veröffentlicht, da die 12-jährige Ella in der Sendung die Missachtung der Kinderrechte anprangerte und die ARD laut Publikumskonferenz damit ein Kind für Propagandazwecke in geopolitische Spielchen einspannte, obwohl nachweislich andere Verstöße gegen die Kinderrechte von Ella unerwähnt bleiben.)

Programmbeschwerde

Sehr geehrte Damen und Herren Rundfunkräte,

zum 30. Jubiläum des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland sprach die zwölfjährige Ella am 5. April 2022 in den ARD-Tagesthemen einen Meinungsbeitrag. Das Kind kommentierte in diesem TV-Beitrag die Gefährdung der Kinderrechte und mahnte insbesondere zum Schutz geflüchteter Kinder auf der ganzen Welt.

Die UN-Kinderrechtskonvention verlangt nach Artikel 12 (1) bekanntlich die Berücksichtigung des Kindeswillens. Dort heißt es: "Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife."

Die 12-jährige Ella spricht in ihrem Kommentar über das Leid der Kinder in Kriegsregionen, nennt aber nur einen der aktuell Verantwortlichen beim Namen: Putin.

Kinderrechte.JPG (98,46 KiB) 170-mal betrachtet:

"(...) Fast alle Staaten haben der Kinderrechtskonvention zugestimmt. Aber wie man gerade in der Ukraine sieht, hat Herr Putin leider vergessen, dass sein Land auch mal unterschrieben und somit zugestimmt hat, die Kinderrechte anzuerkennen und durchzusetzen. Eigentlich sollten Kinder in Frieden aufwachsen und ein Recht auf Schutz vor Gewalt, vor Krieg und auf Bildung haben. Aber Putin tut genau das Gegenteil. Er tötet und trennt Familien und macht sie zu Flüchtlingen." (...) "Ich habe gelesen, dass jeder zweite Flüchtling ein Kind ist und dass 60 Millionen Kinder weltweit auf der Flucht sind. (...) Was stimmt nicht mit Leuten wie Putin?"

Es ist nicht überliefert, ob Ella ihren Kommentar selbst recherchiert, verfasst und somit tatsächlich ihre eigene Meinung frei geäußert hat. Es ist jedoch evident, dass ihr Kommentar nur einen schmalen Ausschnitt der jüngst zurückliegenden und der aktuellen weltweiten Konflikte beleuchtet und nur genau eine politische Person dämonisiert, obwohl das genannte beklagenswerte Kinderleid global an Dutzenden Orten existiert und in seiner Gesamtheit nicht einer, erst recht nicht dieser Einzelperson zuzurechnen ist.

Auch der brutale innerstaatliche militärische Konflikt in der Ostukraine herrscht dort bereits seit April 2015 ohne Zutun von Herrn Putin. Seit dieser Zeit leiden dort ostukrainische Kinder unter Dauerbeschuss, Hunger, Schmerz, Elend, Kälte und Angst auf Veranlassung der ukrainischen Regierung in Kiew.

Kennt Ella die "Allee der Engel" in Donezk zum Gedenken an die Kinder des Donbass, die während des Krieges im Donbass allein schon bis 2015 getötet wurden? Wurde ihr je darüber berichtet, von ihren Eltern, Lehrern oder dem KiKA-Kinderkanal der ARD?

Eine ganze Generation dieser Kinder ist in ostukrainischen Kellern aufgewachsen. Hat Ella je davon erfahren, wie der damalige ukrainische Präsident Poroschenko mit diesen Kindern umging?

(Der damalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko verglich auf der Veranstaltung "Strategie 2020" im Odessaer Operntheater am 23. Oktober 2014 die Lage der Menschen in der Ukraine und in den von der Kiewer Regierung nicht kontrollierten Gebieten in den selbsternannten Donezker und Lugansker Volksrepubliken folgendermaßen: 

"Wir werden Arbeitsplätze haben – sie nicht. Wir werden Renten haben – sie nicht. Wir werden Unterstützung für Kinder und Rentner haben – sie nicht. Unsere Kinder werden in Schulen und Kindergärten gehen – ihre Kinder werden in Kellern sitzen. Weil sie nichts können. So und nur so werden wir diesen Krieg gewinnen."

Später hat die ukrainische Regierung in Kiew diese Gebiete tatsächlich einer vollständigen Blockade unterzogen und selbst Rentenauszahlungen durch bürokratische Hürden erheblich erschwert – Anm. der Redaktion)

Vielleicht ist Ella bereit und daran interessiert, nur eines jener Kellerkinder kennenzulernen und sich dessen Geschichte dieses Konfliktes anzuhören? Es wäre sicher kein Problem, über eine Hilfsorganisation den Kontakt zu einem x-beliebigen gleichaltrigen Mädchen aus dem Donbass herzustellen, das seit acht Jahren Schutz im Keller suchen musste – übrigens als gebürtiges Kind eines Landes, das ebenfalls die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet hatte – der Ukraine.

Die USA als das einzige Land, das bis heute die UN-Kinderrechtskonvention weiterhin nicht ratifizierte, erwähnte Ella in ihrem Kommentar mit keiner Silbe.

Vermutlich weiß sie auch nicht einmal, dass in den USA lebenslange Haftstrafen selbst für Minderjährige erlaubt sind. Bis 2005 konnten auf US-amerikanischem Boden Minderjährige sogar zum Tode verurteilt werden, ebenfalls ein eklatanter Widerspruch zum Artikel 37 der zitierten Konvention. Und in etwa einem Drittel aller amerikanischen Bundesstaaten ist bis heute nach wie vor die körperliche Züchtigung an Schulen erlaubt.

Im Artikel 6 der Kinderrechtskonvention ist dagegen verankert:

(1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass jedes Kind ein angeborenes Recht auf Leben hat.

(2) Die Vertragsstaaten gewährleisten in größtmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes.

Die in Deutschland von vielen Politikern und Medien gefeierte und daher jüngst zutiefst betrauerte frühere US-Außenministerin und UN-Botschafterin Madeleine Albright hielt bekanntlich eine hohe Zahl von Todesopfern für akzeptabel, als sie in einem CBS-Interview gefragt wurde, ob der Tod von mehr als 500.000 irakischen Kindern durch die von den USA verhängten Sanktionen zu verantworten gewesen sei. Denn ein UN-Bericht hatte festgestellt, dass zwischen 1991 und Ende 1995 nicht weniger als 576.000 irakische Kinder aufgrund der harten US-Wirtschaftssanktionen verstorben waren. Die Antwort von Madelaine Albright war überdeutlich:

"Ich denke, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber den Preis ist es wert."

Die Brown University von Rhode Island (USA) stellte in einer Studie fest:

"Die Kriege der USA nach 9/11 haben mindestens 37 Millionen Menschen in und aus Afghanistan, Irak, Pakistan, Jemen, Somalia, den Philippinen, Libyen und Syrien vertrieben. Das übertrifft die Zahl jener Vertriebenen aller Kriege seit 1900, mit Ausnahme des Zweiten Weltkriegs."

Millionen weiterer Menschen wurden durch andere Konflikte nach 9/11 unter Beteiligung von US-Truppen unter anderem in Burkina Faso, Kamerun, der Zentralafrikanische Republik, der Republik Tschad, der Demokratischen Republik Kongo, Mali, Niger, Saudi-Arabien und Tunesien zu Vertriebenen.

Die 37 Millionen sind eine sehr konservative Schätzung. Die Gesamtzahl der durch die USA nach 9/11 in Kriegen Vertriebenen wird eher bei 48 bis 59 Millionen liegen. 25,3 Millionen Menschen sind nach ihrer Vertreibung zurückgekehrt, obwohl das nicht all die Traumata der Vertreibung behebt oder bedeutet, dass die Vertriebenen tatsächlich in ihre ursprüngliche Heimat oder in ein sicheres Leben zurückgekehrt sind.

Während Erwachsene in der Regel in der Lage sind, sich durch Erinnerungen, Recherchen, Reflexion und logischen Einordnungen von Konflikten und ihrer Entstehung vor Feindbildpropaganda zu schützen und eigene Schlüsse zu ziehen, verfügen Kinder in der Altersklasse noch nicht über diese Fähigkeit. Sie vertrauen darauf, was ihnen Erwachsene in der Schule, im Elternhaus und über die Medien vermitteln.

Eine freie eigene Meinungsbildung kann jedoch nicht stattfinden, wenn die zugrundeliegenden Informationen falsch, unvollständig oder politisch interessengeleitet sind. Kinder haben auch ein Recht auf Wahrheit. Dieses Recht fordert Erwachsene entgegen allen Bequemlichkeiten heraus, die individuelle und die gesellschaftliche Dimension zu erkennen, die auf ein junges Leben einwirkt, wenn es für Zwecke missbraucht wird, die auf die Manipulation der öffentlichen Meinung zielen.

Kinder für Propagandazwecke einzuspannen ist immer grenzwertig, sowohl aktiv als auch passiv. Wer Kinder instrumentalisiert, um auf bestimmte oder auch nur vermeintliche Missstände aufmerksam zu machen, die oft genug noch nicht einmal Erwachsene in Gänze durchschauen, will emotionalisieren und manipulieren. Die zahlreichen kindlichen Protagonisten, die in internationalen Konflikten zu rührseligen Reaktionen und nicht selten zur Eskalation von Konflikten führten, sind inzwischen als Tatsachen anerkannt. Das prominenteste Beispiel ist wohl als die Brutkastenlüge bekannt, unzählige andere als emotionalisierendes Bildmaterial.

Schaut man sich indes den Text der nunmehr seit 30 Jahren geltenden UN-Kinderrechtskonvention einmal genauer an, so kann man erkennen, dass die Absichtserklärungen und Verpflichtungen noch nicht einmal im wohlhabenden oder gar reichen Deutschland eingehalten oder umgesetzt werden. Insbesondere die letzten beiden Pandemiejahre haben gezeigt, was Kinderrechte in Deutschland wert sind und wie auch Rechte ihrer Eltern unter dem Deckmantel des dafür angepassten Infektionsschutzgesetzes ausgehebelt werden. Dieser Zustand hält bis heute an. Die Situation wird sich in den nächsten Jahren aufgrund der verfehlten Politik und des Versagens der Medien, selbst der mit einem öffentlichen Auftrag noch verschärfen.

Die Kinder von heute werden nicht mehr so sorgenfrei aufwachsen können wie die Generation der Babyboomer und deren Kinder. Ihre Zukunftspläne werden wohl zumeist unerfüllt bleiben, und ihr Leben wird von bislang unbekannten Entbehrungen geprägt sein, die oft auf geopolitischen Spielchen basieren, deren Thematisierung Sie als öffentlich-rechtliche Anstalten gerne vermeiden. Darauf sollte man die Kinder vorbereiten, denn das wichtigste Kinderrecht ist das Recht auf Wahrheit – was wohlweislich nicht in der UN-Konvention verankert ist.

Die Forderung von Ella in ihrem Kommentar an Olaf Scholz, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, wird an den trüben Aussichten nichts ändern, zumal wir live und in Farbe gesehen haben, wie schnell neuerdings Grundrechte kassiert werden können. Vielleicht weiß Ella auch das nicht? Man sollte es ihr sagen.

Die Rechtslage oder der Schutz von Kindern wird keineswegs dadurch verbessert, wenn dies im Grundgesetz (GG) verankert wäre. Vermutlich könnte sogar das Gegenteil davon eintreten und der natürliche Schutz durch die Familie würde nachrangig werden. Kinder sind schließlich auch Menschen, und es ist nicht überliefert, dass es für Grundrechte eine Altersgrenze gäbe – weder nach oben noch nach unten. Das Problem könnte eine Übergriffigkeit des Staates für den Fall werden, dass der Artikel 6 GG ausgehebelt würde, der bis heute den Eltern die natürliche Vertretungsvollmacht für ihre Kinder garantiert.

Die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist es nicht, an der Aufrechterhaltung von unbewiesenen Narrativen und Feindbildern mitzuwirken, sondern durch ausgewogene, unparteiische, objektive und wahrheitsgemäße Berichterstattung den gesetzlichen Auftrag auch und insbesondere in Bezug auf seriöse Information und für eine freie Meinungsbildung der Bevölkerung umzusetzen sowie der gesamtgesellschaftlichen Integration in Frieden und Freiheit und der Verständigung unter den Völkern zu dienen und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinzuwirken – insbesondere dann, wenn Kinder involviert sind.

III. Abschnitt

Besondere Bestimmungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

§ 26 Auftrag

(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern.

(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.

Aus Gründen der Transparenz werden wir diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins https://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

Maren Müller

Mehr zum Thema - Frag nach der ganzen Geschichte – Eine Antwort auf den gestrigen Kinderkommentar der Tagesthemen

Anmerkung der Autorin:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die "mediale Massenverblödung" (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein "Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V." dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.